Gestern kam im WDR eine Sendung über das Museum Alexander Koenig in Bonn. Leider habe ich den Anfang verpasst. Aber als ich dann später eingeschaltet hatte, kam ein Beitrag, der mir sehr zu schaffen macht. Da wurde gerade ein Forscher vorgestellt, der Rotkehlchen untersucht. Er hat auch Untersuchungen an den Rotkehlchen der Kanarischen Inseln durchgeführt, dabei Blutproben entnommen und das darin befindliche Erbmaterial untersucht. Dieses unterscheidet sich um mehr als zwei Prozent von dem der Vergleichstiere, und auch zwischen den Populationen von Gran Canaria und Teneriffa wurde ein Unterschied > 2% festgestellt. Dann wurde gesagt, dass es sich immer um eine neue Art handelt, wenn das Erbgut sich um mehr als zwei Prozent von dem von Vergleichstypen unterscheidet. Der Forscher benannte die neue Rotkehlchen-Art „der Liebe wegen“ Erithacus marionae und ordnete den Rotkehlchen-Stammbaum um. So viel zu diesem Beitrag – ich habe die ganze Nacht darüber gegrübelt und das Ergebnis ist für mich erschreckend.
Bisher gab es ja ganz unterschiedliche Kriterien für die Definition neuer Arten, zum Beispiel morphologische, verhaltensbiologische, ökologische, geographische, stammesgeschichtliche, und so weiter. Die gelten wohl jetzt nicht mehr? Das ist natürlich bequem, denn dann brauchen wir nicht mehr so lange zu forschen. Zwei Tropfen Blut und eine Maschine nehmen uns das Denken ab. Hier erschließt sich doch ein enormes Sparpotenzial! Weg mit den Universitäten und den Professoren und Studenten! Weg mit den Museen und Zoos! Her mit den Analysemaschinen, die sind billiger und nicht so aufmüpfig wie denkende Menschen!
Wenn ich dann diese neue Art-Definition auf den Menschen übertrage, hat das schlimme ethische Konsequenzen. In diesem Gedankenspiel fallen mir zunächst bestimmte Behinderungen ein. Mongoloide unterscheiden sich doch wahrscheinlich in mehr als 2% ihrer Erbinformation vom „normalen“ Menschen, weil sie ja ein (großes) Chromosom mit vielen Genen mehr haben. Also ist es jetzt ganz einfach, sie auszugrenzen, denn sie gehören ja nach dieser Definition nicht mehr zur Art Homo sapiens. Wir brauchen nur noch eine Maschine einzusetzen, die anhand von ein bisschen erbguthaltigem Material Menschen von … unterscheidet. Und da … ja keine Menschen sind, brauchen wir uns auch nicht so sehr darum zu kümmern. Warum erinnert mich das so fatal an das Gedankengut, das vor 70 Jahren bei uns vertreten war? Und wenn wir jetzt das Erbgut von Menschen aus entlegenen Gegenden der Erde mit dem von uns Mitteleuropäern vergleichen, könnte doch herauskommen, dass auch bei ihnen der magische Unterschied von 2% der Erbinformation überschritten ist: Dann hätten wir’s bequem, wir brauchen uns nicht mehr mit Menschenrechten für diese … und mit Flüchtlingen von dort zu befassen, sondern könnten wissenschaftlich begründet … (Sklaven sind ja keine Menschen) halten. Auch das mit sehr angenehmen finanziellen Folgen für unseren Staat!
Zurück zum Fernsehbeitrag: Auch die darin dargestellte Namensgebung für das neue Rotkehlchen erscheint mir recht merkwürdig. Für die neue Art wurde ja ein neuer Name vergeben. Dass bereits eine gut definierte Unterart „superbus“ von den Kanaren beschrieben wurde, wird nicht erwähnt. Auch hier zeigt sich bei genauerem Hinsehen Einsparpotenzial – wir brauchen ja jetzt nicht mehr lesen zu können. Also brauchen wir auch kein Geld mehr für solche Studien wie die PISA zu investieren. Und die Schulen können wir dann auch gleich einsparen.
Natürlich ändert sich dann auch unser Naturverständnis. Wir erkennen nicht mehr „Bergmolche“ und „Zauneidechsen“, weil wir ja nicht mehr lesen. Und wir hören auch keine Rotkehlchen mehr singen, sondern CGATTATGGCCA…. Aber weil das so mühsam ist, brauchen wir die ja eigentlich alle gar nicht mehr. Sparen wir uns doch auch das Geld für den Schutz der Bergmolche und Zauneidechsen und Rotkehlchen - oder wie diese ganzen Genträger bisher bezeichnet wurden!
Ordnungsruf an mich: Schluss mit den Schlussfolgerungen! Die Schimansen und Bonobos sind sicher froh, dass ihr genetischer Abstand von Homo sapiens etwas über 2% beträgt! Da sage noch einer, Systematik/Taxonomie und Genetik wären keine politischen Wissenschaften…
Nun meine Fragen: Waren die Aussagen in dieser Sendung nur eine verkürzte Darstellung? Und waren meine Schlussfolgerungen nur Alpträume in einer schlimmen Nacht ? Oder ist das wirklich der Kurs, den unsere Gesellschaft eingeschlagen hat? Kann mich bitte jemand aufklären?
Danke schon mal!
Beate
P.S.: Zurück zur Herpetologie: Auch der Jemenwaran war Thema dieser Sendung…
[Editiert von Beate am 11-12-2003 um 11:04 GMT]
[Editiert von Beate am 11-12-2003 um 11:06 GMT]
Bisher gab es ja ganz unterschiedliche Kriterien für die Definition neuer Arten, zum Beispiel morphologische, verhaltensbiologische, ökologische, geographische, stammesgeschichtliche, und so weiter. Die gelten wohl jetzt nicht mehr? Das ist natürlich bequem, denn dann brauchen wir nicht mehr so lange zu forschen. Zwei Tropfen Blut und eine Maschine nehmen uns das Denken ab. Hier erschließt sich doch ein enormes Sparpotenzial! Weg mit den Universitäten und den Professoren und Studenten! Weg mit den Museen und Zoos! Her mit den Analysemaschinen, die sind billiger und nicht so aufmüpfig wie denkende Menschen!
Wenn ich dann diese neue Art-Definition auf den Menschen übertrage, hat das schlimme ethische Konsequenzen. In diesem Gedankenspiel fallen mir zunächst bestimmte Behinderungen ein. Mongoloide unterscheiden sich doch wahrscheinlich in mehr als 2% ihrer Erbinformation vom „normalen“ Menschen, weil sie ja ein (großes) Chromosom mit vielen Genen mehr haben. Also ist es jetzt ganz einfach, sie auszugrenzen, denn sie gehören ja nach dieser Definition nicht mehr zur Art Homo sapiens. Wir brauchen nur noch eine Maschine einzusetzen, die anhand von ein bisschen erbguthaltigem Material Menschen von … unterscheidet. Und da … ja keine Menschen sind, brauchen wir uns auch nicht so sehr darum zu kümmern. Warum erinnert mich das so fatal an das Gedankengut, das vor 70 Jahren bei uns vertreten war? Und wenn wir jetzt das Erbgut von Menschen aus entlegenen Gegenden der Erde mit dem von uns Mitteleuropäern vergleichen, könnte doch herauskommen, dass auch bei ihnen der magische Unterschied von 2% der Erbinformation überschritten ist: Dann hätten wir’s bequem, wir brauchen uns nicht mehr mit Menschenrechten für diese … und mit Flüchtlingen von dort zu befassen, sondern könnten wissenschaftlich begründet … (Sklaven sind ja keine Menschen) halten. Auch das mit sehr angenehmen finanziellen Folgen für unseren Staat!
Zurück zum Fernsehbeitrag: Auch die darin dargestellte Namensgebung für das neue Rotkehlchen erscheint mir recht merkwürdig. Für die neue Art wurde ja ein neuer Name vergeben. Dass bereits eine gut definierte Unterart „superbus“ von den Kanaren beschrieben wurde, wird nicht erwähnt. Auch hier zeigt sich bei genauerem Hinsehen Einsparpotenzial – wir brauchen ja jetzt nicht mehr lesen zu können. Also brauchen wir auch kein Geld mehr für solche Studien wie die PISA zu investieren. Und die Schulen können wir dann auch gleich einsparen.
Natürlich ändert sich dann auch unser Naturverständnis. Wir erkennen nicht mehr „Bergmolche“ und „Zauneidechsen“, weil wir ja nicht mehr lesen. Und wir hören auch keine Rotkehlchen mehr singen, sondern CGATTATGGCCA…. Aber weil das so mühsam ist, brauchen wir die ja eigentlich alle gar nicht mehr. Sparen wir uns doch auch das Geld für den Schutz der Bergmolche und Zauneidechsen und Rotkehlchen - oder wie diese ganzen Genträger bisher bezeichnet wurden!
Ordnungsruf an mich: Schluss mit den Schlussfolgerungen! Die Schimansen und Bonobos sind sicher froh, dass ihr genetischer Abstand von Homo sapiens etwas über 2% beträgt! Da sage noch einer, Systematik/Taxonomie und Genetik wären keine politischen Wissenschaften…
Nun meine Fragen: Waren die Aussagen in dieser Sendung nur eine verkürzte Darstellung? Und waren meine Schlussfolgerungen nur Alpträume in einer schlimmen Nacht ? Oder ist das wirklich der Kurs, den unsere Gesellschaft eingeschlagen hat? Kann mich bitte jemand aufklären?
Danke schon mal!
Beate
P.S.: Zurück zur Herpetologie: Auch der Jemenwaran war Thema dieser Sendung…
[Editiert von Beate am 11-12-2003 um 11:04 GMT]
[Editiert von Beate am 11-12-2003 um 11:06 GMT]
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