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Artbegriff - Sendung über Museum Alexander Koenig

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  • Artbegriff - Sendung über Museum Alexander Koenig

    Gestern kam im WDR eine Sendung über das Museum Alexander Koenig in Bonn. Leider habe ich den Anfang verpasst. Aber als ich dann später eingeschaltet hatte, kam ein Beitrag, der mir sehr zu schaffen macht. Da wurde gerade ein Forscher vorgestellt, der Rotkehlchen untersucht. Er hat auch Untersuchungen an den Rotkehlchen der Kanarischen Inseln durchgeführt, dabei Blutproben entnommen und das darin befindliche Erbmaterial untersucht. Dieses unterscheidet sich um mehr als zwei Prozent von dem der Vergleichstiere, und auch zwischen den Populationen von Gran Canaria und Teneriffa wurde ein Unterschied > 2% festgestellt. Dann wurde gesagt, dass es sich immer um eine neue Art handelt, wenn das Erbgut sich um mehr als zwei Prozent von dem von Vergleichstypen unterscheidet. Der Forscher benannte die neue Rotkehlchen-Art „der Liebe wegen“ Erithacus marionae und ordnete den Rotkehlchen-Stammbaum um. So viel zu diesem Beitrag – ich habe die ganze Nacht darüber gegrübelt und das Ergebnis ist für mich erschreckend.

    Bisher gab es ja ganz unterschiedliche Kriterien für die Definition neuer Arten, zum Beispiel morphologische, verhaltensbiologische, ökologische, geographische, stammesgeschichtliche, und so weiter. Die gelten wohl jetzt nicht mehr? Das ist natürlich bequem, denn dann brauchen wir nicht mehr so lange zu forschen. Zwei Tropfen Blut und eine Maschine nehmen uns das Denken ab. Hier erschließt sich doch ein enormes Sparpotenzial! Weg mit den Universitäten und den Professoren und Studenten! Weg mit den Museen und Zoos! Her mit den Analysemaschinen, die sind billiger und nicht so aufmüpfig wie denkende Menschen!

    Wenn ich dann diese neue Art-Definition auf den Menschen übertrage, hat das schlimme ethische Konsequenzen. In diesem Gedankenspiel fallen mir zunächst bestimmte Behinderungen ein. Mongoloide unterscheiden sich doch wahrscheinlich in mehr als 2% ihrer Erbinformation vom „normalen“ Menschen, weil sie ja ein (großes) Chromosom mit vielen Genen mehr haben. Also ist es jetzt ganz einfach, sie auszugrenzen, denn sie gehören ja nach dieser Definition nicht mehr zur Art Homo sapiens. Wir brauchen nur noch eine Maschine einzusetzen, die anhand von ein bisschen erbguthaltigem Material Menschen von … unterscheidet. Und da … ja keine Menschen sind, brauchen wir uns auch nicht so sehr darum zu kümmern. Warum erinnert mich das so fatal an das Gedankengut, das vor 70 Jahren bei uns vertreten war? Und wenn wir jetzt das Erbgut von Menschen aus entlegenen Gegenden der Erde mit dem von uns Mitteleuropäern vergleichen, könnte doch herauskommen, dass auch bei ihnen der magische Unterschied von 2% der Erbinformation überschritten ist: Dann hätten wir’s bequem, wir brauchen uns nicht mehr mit Menschenrechten für diese … und mit Flüchtlingen von dort zu befassen, sondern könnten wissenschaftlich begründet … (Sklaven sind ja keine Menschen) halten. Auch das mit sehr angenehmen finanziellen Folgen für unseren Staat!

    Zurück zum Fernsehbeitrag: Auch die darin dargestellte Namensgebung für das neue Rotkehlchen erscheint mir recht merkwürdig. Für die neue Art wurde ja ein neuer Name vergeben. Dass bereits eine gut definierte Unterart „superbus“ von den Kanaren beschrieben wurde, wird nicht erwähnt. Auch hier zeigt sich bei genauerem Hinsehen Einsparpotenzial – wir brauchen ja jetzt nicht mehr lesen zu können. Also brauchen wir auch kein Geld mehr für solche Studien wie die PISA zu investieren. Und die Schulen können wir dann auch gleich einsparen.

    Natürlich ändert sich dann auch unser Naturverständnis. Wir erkennen nicht mehr „Bergmolche“ und „Zauneidechsen“, weil wir ja nicht mehr lesen. Und wir hören auch keine Rotkehlchen mehr singen, sondern CGATTATGGCCA…. Aber weil das so mühsam ist, brauchen wir die ja eigentlich alle gar nicht mehr. Sparen wir uns doch auch das Geld für den Schutz der Bergmolche und Zauneidechsen und Rotkehlchen - oder wie diese ganzen Genträger bisher bezeichnet wurden!

    Ordnungsruf an mich: Schluss mit den Schlussfolgerungen! Die Schimansen und Bonobos sind sicher froh, dass ihr genetischer Abstand von Homo sapiens etwas über 2% beträgt! Da sage noch einer, Systematik/Taxonomie und Genetik wären keine politischen Wissenschaften…

    Nun meine Fragen: Waren die Aussagen in dieser Sendung nur eine verkürzte Darstellung? Und waren meine Schlussfolgerungen nur Alpträume in einer schlimmen Nacht ? Oder ist das wirklich der Kurs, den unsere Gesellschaft eingeschlagen hat? Kann mich bitte jemand aufklären?

    Danke schon mal!
    Beate

    P.S.: Zurück zur Herpetologie: Auch der Jemenwaran war Thema dieser Sendung…

    [Editiert von Beate am 11-12-2003 um 11:04 GMT]

    [Editiert von Beate am 11-12-2003 um 11:06 GMT]

  • #2
    Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

    naja, 2% halte ich doch für etwas lächerlich, man sollte stets auch Morphologie usw. mit einbeziehen.
    Die Namensgebung ist mal wieder ein Witz, ich finde es ohnehin absurd das man Tier "zu ehren von" oder "in liebe zu" benennt, es sollte viel eher ein aussagender Name her, wenn ich ein Tier da und da finde dann sollte man einen Namen wählen den jeder mit dieser Gegend verbinden kann. Das er das Rotkehlchen in eine eigene Art gestellt hat, wen wundert es? Ist doch bei Schildkröten z.B. derzeit von einigen Forschern auch gerne gemacht, Stichwort Phylogenetisches Artenprinzip. Da wird aus Cuora galbinifrons picturata halt Cuora picturata (Parham et al 2003), der Testudo graeca Komplex hat X einzelne Arten usw.

    Kommentar


    • #3
      Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

      Ruhig Blut.
      In einem Beitrag der etwas über drei Minuten einnimmt, kann man nicht eine gesamte Arbeit darstellen. Einziger Unterschied sind auch nciht nur die 2% sondern auch andere morphologische Details. Eines der beiden Rotkehlchen ist übrigens eine von Alexander Koenig (wie das Museum mit oe und nicht mit ö geschrieben) an morphologischen Details beschriebene Unterart die nacher in die Synonymietät verwiesen wurde.
      Zudem auch wenn Arten an genetischen Details beschrieben werden muss man sich keine Sorge um Professoren, Studenten und Pisa machen. Die Genetik ist ein Arbeitsgerät der Systematiker. NIcht mehr und nicht weniger. es wird immer Wissenschaftler geben müssen die die Ergebnisse interpretieren. Falls ihr näher daran interessiert seid, kann ich gerne versuchen euch eine Kopie der Rotkehlchen arbeit zukommen zu lassen.

      Philipp Wagner

      Kommentar


      • #4
        Re: Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

        Hallo Philipp Wagner,

        puh, dann ist ja gut!

        Andere Leute haben ähnliche Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Journalisten gemacht - ich zwar nicht mit dem Fernsehen, aber mit einer Zeitung. Irgendwann kommt halt immer der Redaktionsschluss (der kommt wohl so plötzlich wie Weihnachten!) und dann wird die Sendung doch nicht mehr so umgestrickt, dass derartige durch Verkürzung falsche Aussagen vor der Ausstrahlung bzw. dem Druck noch korrigiert werden. Eigentlich schade, denn das Fernsehen wäre ein gutes Medium!

        Wäre die Darstellung von "Wissenschaft" in dieser Sendung keine Verkürzung gewesen, dann wär's mir echt Angst geworden! Immerhin hatte ich mal Ideale, und ich hatte während des Biologiestudiums auch Lehrmeister, die ähnliche Ideale hatten. Wie's so kommt, kann ich die im Beruf zwar nicht umsetzen, aber ich wäre schon erschrocken, wenn das, was mir mal wichtig war, aufgrund der aktuellen Politik überhaupt nicht mehr gilt.

        Ich bin sehr an der Rotkehlchen-Arbeit interessiert - und ebenfalls an der Arbeit, wo die Aussage mit den 2% Unterschied in der Erbinformation als Artkriterium gemacht bzw. relativiert wird. Danke für das Angebot!

        Vielen Dank für die Klarstellung und viele Grüße
        Beate

        Kommentar


        • #5
          Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

          Liebe Beate

          Aber im Grunde genommen gilt immer noch, und
          dies mit aller Deutlichkeit, die Artenregel
          vom guten alten Linnaeus:

          - Nimmt man hier ein Männchen und dort ein Weibchen - das Weibchen bekommt fruchtbare
          Junge, die sich wiederum bestens vermehren - dann waren Männchen und Weibchen von
          der selben Art.

          Genau nach dieser Regel, ergeben sich bei Kreuzungsexperimenten nur unfruchtbare Junge,
          z.B. wenn man die nahe verwandten Grosskatzen kreutzt, oder Esel und Pferd, etc. Ergeben sich fruchtbare Junge, so ist
          dies der Beweis, dass Männchen und Weibchen
          der selben Art angehören. Eigentlich ganz einfach. Leider lassen sich aber die meisten Tierarten nicht kreuzen, somit sucht die Wissenschaft mit anderen Methoden abzugrenzen,
          wie nah sie sich stehen und kommt manchmal
          zu abstrusen Schlussfolgerungen.

          -

          Kommentar


          • #6
            Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

            Hallo Daniel,

            Du schreibst:
            Aber im Grunde genommen gilt immer noch, und dies mit aller Deutlichkeit, die Artenregel vom guten alten Linnaeus:
            und weiter unten:
            Nimmt man hier ein Männchen und dort ein Weibchen - das Weibchen bekommt fruchtbare Junge, die sich wiederum bestens vermehren - dann waren Männchen und Weibchen von der selben Art.
            Nun, dieses Arten-Konzept, wie auch die Erweiterung durch Mayr (1969 ?), das Biological Species Concept (BSC) ist seit vielen Jahren umstritten, da letztendlich der Nachweis der Infertilität nur im Laborversuch nachgewiesen werden kann. In der Natur ist das leider nur sehr schwer nachvollziehbar. Es gibt noch weitere Kritikpunkte an diesen Konzepten, diese hier aufzuführen, würde jedoch bei weitem den Rahmen sprengen... Was ist denn z.B. mit allopatrischen (geographisch isolierten) Populationen, die sich durchaus mit anderen (z.B. "Festlandformen") fertil kreuzen können, jedoch morphologisch deutliche Unterschiede aufweisen?

            Neuere Konzepte, wie das "Evolutions Artenkonzept" oder das "Phylogenetische Artenkonzept" (oder auch andere) sehen die Art etwas differenzierter, da hier auch ein zeitlicher (historischer) Verlauf eine Rolle spielt.

            Alle diese Artenkonzepte haben Fürsprecher, aber auch Kritiker und jedes dieser Konzepte ist unvollkommen und hat Schwächen.
            In der modernen Systematik wird das BSC fast schon nicht mehr angewendet...

            Nur so mal als Randbemerkung ;-)

            Grüße,
            Wulf

            Hier mal zwei interessante Links (in Deutsch) zum Thema Artbildung:
            http://www.biuz.unizh.ch/docs/pdf/maik/evoendress.pdf

            http://www.biologische-diversitaet.de/art.html#artdirk

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            • #7
              Re: Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

              Lieber Daniel,

              Diese Definition mag ich auch gerne. Bei manchen Reptilien (mein naheliegendes Beispiel: Schildkröten) reicht diese Definition aber nicht ganz, um eine Art als solche zu erkennen.

              Speziell bei asiatischen Bataguriden muss man die Definition sicher noch erweitern. Nimm zum Beispiel Cuora galbinifons und Cuora mouhotii (früher Pyxidea) und paare sie, dann hast Du "Cuora serrata". Die sind untereinander und mit anderen südostasiatischen Bataguriden fruchtbar... Es gibt noch viele andere Beispiele aus dieser Gruppe.

              Ein anderes Beispiel sind die Buntbarsche aus Afrika, z.B. dem Malawisee. Im See funktioniert die Artisolation, aber im Aquarium kann man die Arten und sogar verschiedene Gattungen verpaaren und die Nachzuchten sind ebenfalls in beiden Geschlechtern untereinander und mit anderen Arten (und Gattungen aus der Verwandtschaftsgruppe) so fruchtbar wie die Ursprungsarten (Eizahl, Schlupfquote etc.). Missbildungen habe ich nicht finden können, und auch bei den genannten Schildkröten sind mir keine bekannt.

              Bei beiden Gruppen sind spezielle Balzrituale vorhanden, die wohl Fremdpaarungen verhindern - aber im Aquarium können die wohl unterdrückt werden.

              Deshalb ist es mir ja so wichtig, dass nicht nur die Messung des Unterschieds in der Erbinformation als Artkriterium herangezogen wird! Ich finde es auch wichtig, dass andere Infos (ethologische, ökologische und so weiter) herangezogen werden - und dass ein denkender Wissenschaftler entscheidet, ob er die Form für eine Art hält oder nicht. Was mich gestört hat, war die Reduktion auf die Messung eines einzelnen Werts und die automatisierte Entscheidung anhand eines "magischen" Grenzwerts für diese Messung.

              Viele Grüße
              Beate

              Kommentar


              • #8
                Re: Re: Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

                Hallo,

                ich halte das für einen Trugschluß: das BSC taugt nur zum Nachweis, daß daß es sich nicht um eine Art handelt. Fertile NK (insbesondere "erzwungene" in Gefangenschaft) sind bestenfalls ein Hinweis auf nahe Verwandtschaft, kein Beweis für die gemeinsame Art.
                Und: jeder Zeitpunkt (z.B. "Heute") zeigt einen horizontalen Schnitt durch Stammbäume. Dort, wo Arten gerade dabei sind sich neu zu trennen, gibt es Grauzonen, in der die Art prinzipiell nicht eindeutig definierbar ist, und wo es dementsprechend verschiedene Auffassungen der Wissenschaftler gibt. Ob an solchen Verzweigungsstellen die Trennung des Genflusses groß genug ist, um sog. "gute" neue Arten zu erzeugen, kann immer nur die Zukunft zeigen.
                Ein einzelner reduzierter Zahlenwert ist natürlich in jedem Fall zu wenig.

                Gruß
                Arnd
                @Mod: läßt sich die Abk. " ) für den smiley entfernen? "Zitatende Klammer zu" erzeugt immer unnötige Grinser


                [Editiert von Arnd am 08-12-2003 um 14:43 GMT]

                Edit W.B. 8.12.03, 14:48 Uhr
                Ich habe es geändert. Geht ganz einfach, indem "Aktiviere Smilies ..." unterhalb des Textes ausgeschaltet wird.
                Hallo, Herr Bischoff: dann sind aber alle Grinser weg, oder? Ich wollte ja nur den einen Shortcut, der immer Probleme macht (weil ich " ) so oft habe, entfernt wissen. Benutzt den denn jemand für den einfachen Smiley? : ) ist wohl üblicher...

                [Editiert von Arnd am 08-12-2003 um 15:18 GMT]

                Edit W.B. 8.12.03, 15:30 Uhr
                Ich habe eben mit Herrn Mendt gesprochen. Das ist nicht vorgesehen und lässt sich hoffentlich schnell ausschalten.

                [Editiert von Arnd am 08-12-2003 um 17:08 GMT]
                Derzeit: Lampropeltis, Rhadinophis und Elaphe

                Kommentar


                • #9
                  Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

                  So, nachdem hier dann doch einige Beiträge gelandet sind und teilweise zu verständlicher aber unnötiger Aufregung geführt haben, möchte ich doch nachmal alle Punkte zusammenfassend kommentieren.


                  Zitat: "Er hat auch Untersuchungen an den Rotkehlchen der Kanarischen Inseln durchgeführt, dabei Blutproben entnommen und das darin befindliche Erbmaterial untersucht. Dieses unterscheidet sich um mehr als zwei Prozent von dem der Vergleichstiere, und auch zwischen den Populationen von Gran Canaria und Teneriffa wurde ein Unterschied > 2% festgestellt. Dann wurde gesagt, dass es sich immer um eine neue Art handelt, wenn das Erbgut sich um mehr als zwei Prozent von dem von Vergleichstypen unterscheidet."
                  Dies ist in diesem Fall tatsächlich richtig. Bei Singvögeln, die sich relativ schnell evolviert haben, gilt bei Forschern weltweit die Fausregel von 2%. Bei Nonpasseriformes würden 2% Unterschied natürlich nicht den Artrang rechtfertigen. Die beiden kanarischen Arten haben übrigens einen Abstand von ca. 4% zu den Arten des europäischen Festlandes.
                  Zudem wurden in dem vorliegenden Fall natürlich auch morphologische Untersuchungen in die Arbeit einbezogen. In einem 3(!) Minuten Beitrag, der auch nicht die Taxonomen als Zielgruppe hatte, kann natürlich nicht alles erwähnt werden.

                  Zitat: Bisher gab es ja ganz unterschiedliche Kriterien für die Definition neuer Arten, zum Beispiel morphologische, verhaltensbiologische, ökologische, geographische, stammesgeschichtliche, und so weiter. Die gelten wohl jetzt nicht mehr?"
                  Auch hier kann ich, wie oben bereits angedeutet, beruhigen. Die beiden Rotkehlchen des kanarischen Archipels unterscheiden sich untereinander wie auch von den europäischen in morphologischen und ökologischen Details und besitzen auch unterschiedliche Gesänge was nach dem biologischen Artkonzept deutlich auf einen Artstatus hinweist.


                  Zitat: "Zwei Tropfen Blut und eine Maschine nehmen uns das Denken ab."
                  Das Denken machen auch bei der Untersuchung der Verwandtschaftsbeziehungen immer noch die Taxonomen. Zumal an den unterschiedlichen Istituten eh das Geld fehlt um überhaupt Maschinen zu genetischen Untersuchungen anzuschaffen.

                  Zitat: Zurück zum Fernsehbeitrag: Auch die darin dargestellte Namensgebung für das neue Rotkehlchen erscheint mir recht merkwürdig. Für die neue Art wurde ja ein neuer Name vergeben. Dass bereits eine gut definierte Unterart „superbus“ von den Kanaren beschrieben wurde, wird nicht erwähnt. Auch hier zeigt sich bei genauerem Hinsehen Einsparpotenzial – wir brauchen ja jetzt nicht mehr lesen zu können."
                  Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, ob dieser Sachverhalt im Film genannt wurde. Die Unterart "superbus" wurde von Alexander Koenig, dem Namensgeber des Museums Koenig von, ich glaube der Insel Tenerifa, beschrieben. Diese, mittlerweils als Synonym eingestufte Unterart wurde von dem Forscher wieder in den Artrang "gehieft". Zudem beschreibt er von der Insel Cran Canaria eine zweite Rotkehlchen Art die sich eben genetisch in 2% unterscheidet, zudem aber auh wie oben erwähnt, in Stimme, Habitat, etc...Ich hoffe dieses Mißverständnis ist geklärt und der Forscher vom Verdacht der Leseschwäche befreit.

                  Zitat: Die Namensgebung ist mal wieder ein Witz, ich finde es ohnehin absurd das man Tier "zu ehren von" oder "in liebe zu" benennt, es sollte viel eher ein aussagender Name her, wenn ich ein Tier da und da finde dann sollte man einen Namen wählen den jeder mit dieser Gegend verbinden kann."
                  Ansichten hierzu sind sicherlich geschmackssache. Ich persönlich finde nichts schlimmes daran Personen mit dem Namen einer Art zu ehren.


                  Zitat: "Andere Leute haben ähnliche Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Journalisten gemacht - ich zwar nicht mit dem Fernsehen, aber mit einer Zeitung."
                  Da muss ich die Redakteure in Schutz nehmen, denn diese Thematik ist viel zu komplex, als das sie in drei Minuten darzustellen wäre. Zumal die Zielgruppe dieses Gesamtbeitrages wahrscheinlich dann überfordert gewesen wäre.

                  Zitat: "Aber im Grunde genommen gilt immer noch, und
                  dies mit aller Deutlichkeit, die Artenregel
                  vom guten alten Linnaeus"
                  Da bekommt Linnaeus, auch wenn seine Verdienste um die Taxonomie immens sind, zuviel der Ehre zugeschrieben. Die in dem Beitrag beschriebene Artenregel ist auf den deutschstämmigen Ornithologen Ernst Mayr zurück zu führen und ist somit als Mayr´sches Artkonzept oder besser belannt als Biologisches Artkonzept in die Literatur eingegangen.

                  Zitat: "Leider lassen sich aber die meisten Tierarten nicht kreuzen, somit sucht die Wissenschaft mit anderen Methoden abzugrenzen, wie nah sie sich stehen und kommt manchmal zu abstrusen Schlussfolgerungen."
                  Nach anderen Methoden zur Abgrenzung wird nicht mutwillig gesucht, wenn sich zwei Individuen einfach nicht kreuzen lassen wollen, sondern in der Regel dann, wenn man auf die schwächen des Biologischen Artkonzeptes stösst. Denn wie zum Beispiel ordnet man hier parthenogenetische Arten ein. Trotzdem ist und bleibt die Genetik ein neues Arbeitsmittel der Taxonomen und kann natürlich auch "alten" Ansichten widersprechen und damit "abstrus" klingen.


                  Zitat: "ich halte das für einen Trugschluß: das BSC taugt nur zum Nachweis, daß daß es sich nicht um eine Art handelt. Fertile NK (insbesondere "erzwungene" in Gefangenschaft) sind bestenfalls ein Hinweis auf nahe Verwandtschaft, kein Beweis für die gemeinsame Art."
                  Richtig! Ansonsten könnten wir uns zum Beispiel auch von den Arten Graugans und Kanadagans trennen, die sich in öffentlichen Parkanlagen fröhlich mischen und fertile Nachkommen zeugen.

                  Zitat: "Und: jeder Zeitpunkt (z.B. "Heute") zeigt einen horizontalen Schnitt durch Stammbäume. Dort, wo Arten gerade dabei sind sich neu zu trennen, gibt es Grauzonen, in der die Art prinzipiell nicht eindeutig definierbar ist, und wo es dementsprechend verschiedene Auffassungen der Wissenschaftler gibt."
                  Und auch hier kann die Genetik helfen um Rückschlüsse auf die Entwicklung der Arten treffen zu können, um eben nicht nur den horizontalen Schnitt zu haben.


                  Ich hoffe ich konnte den Kontext erklären,

                  Philipp Wagner

                  Kommentar


                  • #10
                    Re: Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

                    Hallo Wulf,

                    Jetzt darf ich dich zitieren:

                    Alle diese Artenkonzepte haben Fürsprecher, aber auch Kritiker und jedes dieser Konzepte ist unvollkommen und hat Schwächen.
                    In der modernen Systematik wird das BSC fast schon nicht mehr angewendet...


                    Was ich so nciht stehen lassen will, denn sonst wäre ich ja kein moderner Systematiker und ich denke schon das ich das bin.

                    Meines Erachtens ist das Biologische Artkonzept immer noch das Beste. Viele andere würden zudem zu einer großen Verwirrung führen. Alle Kontzepte haben ihre Mängel manche stärker manche weniger. Ich denke eine gute Zusammenführung wäre eine Lösung. Denn warum würden Inselarten die anders aussehen verschiedene Arten sein und die die gleich aussehen nicht. Das Aussehen ist ja leider auch kein sichere Beweis für einen Artunterschied. Sonst wären alle Hunderassen Arten, vom Geschlechtsdimorphismus ganz zu schweigen. Und was ist mir Arten die ihr Aussehen wechseln können?

                    So schlecht ist der alte Mayr gar nicht,

                    Philipp Wagner

                    Kommentar


                    • #11
                      Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

                      Hallo Phillip,

                      Du schreibst:
                      Meines Erachtens ist das Biologische Artkonzept immer noch das Beste. Viele andere würden zudem zu einer großen Verwirrung führen. Alle Kontzepte haben ihre Mängel manche stärker manche weniger. Ich denke eine gute Zusammenführung wäre eine Lösung. Denn warum würden Inselarten die anders aussehen verschiedene Arten sein und die die gleich aussehen nicht. Das Aussehen ist ja leider auch kein sichere Beweis für einen Artunterschied. Sonst wären alle Hunderassen Arten, vom Geschlechtsdimorphismus ganz zu schweigen. Und was ist mir Arten die ihr Aussehen wechseln können?

                      So schlecht ist der alte Mayr gar nicht,
                      Einig sind wir uns zumindest darüber, dass alle diese Konzepte ihre Vor- und Nachteile haben. Was Mayr, also das BSC angeht, so sind doch gerade die Ornithologen bekannt dafür, dieses anzuwenden (soll jetzt keine Diskriminierung der Ornithologen darstellen, mein Großvater war selber einer). Soweit ich weiß, gibt es ja auch keine asexuellen Vögel, oder doch?

                      Ich stimme Dir sicherlich zu, dass das BSC ansich ein "schönes Konzept" ist, und mit den "Erweiterungen", die Mayr und Ashlock in den Folgejahren angehängt haben, ist es sicherlich auch heute noch anwendbar. Interessanterweise jedoch, habe ich zumindest in der Herpetologie schon lange keinen Hinweis mehr auf die Verwendung des BSC in Publikationen mit der Beschreibung neuer Arten gesehen. Deshalb auch meine Annahme, dass es heute kaum noch Verwendung findet. Bei den Amerikanern scheint zumindest nur noch die Phylogenetik eine Rolle zu spielen (wenn ich mir die Publikationen der letzten Jahre so anschaue).

                      Ich würde mir auch eine Kombination aus den verschiedenen Konzepten wünsche, aber das würde letztendlich wohl neue Schwächen mit sich bringen.

                      Sicherlich ist es bei Anwendung eines jeden Konzeptes notwendig, sich auch die Morphologie sowie u.U. die Ökologie der zu unterscheidenden "Arten" anzuschauen, die Konzepte dienen nur als Leitfaden und Methoden wie die Genetik als Hilfsmittel in der Systematik.

                      Aber ich muß gestehen, ich bin kein Biologe, daher mag mein Wissen und meine Einschätzung etwas daneben lieben. Ich lerne aber immer gerne dazu

                      Viele Grüße,
                      Wulf

                      Kommentar


                      • #12
                        Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

                        Ich verfolge diese Diskussion mit großem Interesse. Leider habe ich die Sendung nicht gesehen und kann mich deshalb nicht dazu äußern.
                        Genau wie Herr Wagner, bin ich ein Anhänger des biologischen Artkonzeptes - trotz seiner Schwächen. Das umso mehr, als von vielen Anhängern des phylogenetischen Artkonzeptes innerartliche systematisch-taxonomische Kathegorien abgelehnt werden. Wenn Arnd Weyers schreibt: "Und: jeder Zeitpunkt (z.B. "Heute" zeigt einen horizontalen Schnitt durch Stammbäume. Dort, wo Arten gerade dabei sind sich neu zu trennen, gibt es Grauzonen, in der die Art prinzipiell nicht eindeutig definierbar ist, und wo es dementsprechend verschiedene Auffassungen der Wissenschaftler gibt. Ob an solchen Verzweigungsstellen der Genfluß groß genug ist, um sog. "gute" neue Arten zu erzeugen, kann immer nur die Zukunft zeigen.", wird das grundlegende Dilemma dieser Auffassung deutlich. Wenn ich als unterste Kathegorie nur die Art akzeptiere, werden sämtliche Prozesse, die zwischen dieser und den Populationen stattfinden, ignoriert. Durch die Unterart wird diese Lücke geschlossen.
                        Nun sind die Systematik und die diese anwendbar machende Taxonomie natürlich vom Menschen gemacht. Alles, was ein Mensch macht, ist, bei aller bemühten wissenschaftlichen Objektivität, subjektiv beeinflusst, so auch die Bewertung einzelner Taxa. Aber immerhin wird mit der Unterart verdeutlicht, dass sich eine Gruppe von Tieren (zeitlich und räumlich betrachtet) womöglich auf dem Weg zur Art befindet.

                        Wolfgang Bischoff
                        Redakteur der Zeitschrift "Die Eidechse"

                        Kommentar


                        • #13
                          Re: Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

                          Hallo,
                          schön solche Einblicke in die Problematik der Art-Definition zu geben - und zu erhalten.
                          Ich erinnere mich daran, dass Andreas Mend einmal bei irgendeiner Diskussion um den Sachkundnachweis bzw. der dazugehörigen Schulung äußerte, dass doch die meisten nicht einmal wissen würden wie eine Art definiert sei.
                          Ich bin erstaunt wieviel Potential hier bei den Schreibenden steckt und frag mich ob es nicht möglich wäre hier "mehr herüber zu bringen".
                          Ich verfolgte diese Diskussion mit großem Interesse. An die Disskusionsteilnehmer mein kompliment: Unabhängig vom Inhalt - genau das ist eine Disskusion wie ich sie mir im DGHT-Forum vorstelle.
                          Weiter so
                          Viele Grüße
                          Harry Wölfel

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                          • #14
                            Re: Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

                            Hallo Wulf,

                            läßt du dich von der "genetik" in "Phylogenetik" irritieren? Das ist lediglich die Stammesgeschichte, ob an morphologischen oder molekulargenetischen Merkmalen festgemacht, ist dabei sekundär.
                            Zu den Piepmätzen: durch das Fliegen ist bei denen eine wichtige Fortpflanzungsbarriere weggefallen, deshalb klappt das BSC besser. "Sie könnten sich erreichen, wenn sie wollten", sozusagen. Außer natürlich, sie sitzen zufällig auf Galapagos
                            Bei unseren meist langsamen DGHT Viechern ist Migration dagegen eine wichtige Barriere, weil sich z.B. morphologisch leicht unterschiedliche Formen (Unterarten z.B.) nicht erreichen können und die Herpetologen dann trefflich streiten dürfen, ob die Unterschiede einen eigenen Art/Unterartstaus rechtfertigen oder nicht.
                            Die Kombination der Methoden wünschen sich übrigens viele, und sie funktioniert: Bei widersprüchlichen Ergebnissen wird diskutiert, aber wenn sich die Befunde verschiedener Methoden gegenseitig stützen, ist die Sache klar. Nur auf ein Pferd zu setzen ist zuwenig.
                            Gruß
                            Arnd
                            Derzeit: Lampropeltis, Rhadinophis und Elaphe

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                            • #15
                              Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

                              Hallo Arndt,

                              Du fragst
                              läßt du dich von der "genetik" in "Phylogenetik" irritieren? Das ist lediglich die Stammesgeschichte, ob an morphologischen oder molekulargenetischen Merkmalen festgemacht, ist dabei sekundär.
                              Nein Arndt, vielleicht habe ich mich in den vorherigen Postings unklar ausgedrückt?!
                              Es ist mir schon klar, dass das eine mit dem anderen nicht unmittelbar zusammenhängt. Leute wie Underwood & Stimpson (1990) oder Kluge (1993) haben phylogenetische Untersuchungen auf Grundlage von morphologischen Eigentschaften gemacht. Insofern ist mir schon klar, dass das nicht abhängig voneinander ist.
                              Jedoch wird in neuerer Zeit auf das Hilfmittel Genetik, sprich DNA Analyse zurückgegriffen, da sie vielleicht die "objektivste" Form ist. Gerade in den letzten Tagen habe ich mich mit der Cytochrom b Gen Analyse befasst, die auch in taxonomischen Arbeiten mehr und mehr Verwendung findet. Es scheint fast so, als sei die Genetik zum wichtigsten Hilfsmittel des vermeindlich "modernen" Taxonomen "mutiert". Wenngelich auch einzelne Basenpaar-Kombinationen nicht als Merkmal fungieren sollten, da eine solche Vorgehensweise sicherlich auch zu Fehlinterpretationen führen kann.

                              Was das BSE äh, BSC angeht, ja, das Paradebeispiel der Galapagos-Finken (diese werkzeugverwendenden Blutsauger) ;-)

                              Mayr meint doch eigentlich, dass Arten Gruppen von reproduktiv isolierten Populationen sind, jedoch wenn sie die Möglichkeit hätten, sich zu kreuzen, dieses auch erfolgreich stattfinden würde, oder?

                              ("Species are groups of actually or potentially interbreeding individuals that can mate and produce fertile offspring")

                              Würde man dass so stehen lassen, würde ich sagen, dass es in der Tat keine Unterarten gibt, da selbst Unterarten (die ja oftmals als allopatrische Population einer existierenden Art angesehen werden) demnach Artenstatus erlangen würden, wenn sie sich fertil kreuzen würden, oder? (Nur mal so als These aufgestellt!). Arten, die sich nicht fertil kreuzen können sehen wir eh als eigene (unterschiedliche) Arten an, es sei denn, man redet von Intergradation. Dazu müßten aber die Kreuzungsbarrieren überwunden werden, und wenn das so ist, sind diese Arten nicht mehr reproduktiv isoliert, d.h., dass das BSC keine Anwendung mehr finden würde, oder? (rein hypothetisch natürlich). Irgendwie erscheinen mir die ganzen Konzepte sehr stark der Auslegung durch den Taxonomen zu unterliegen...
                              Und dann war da noch die Sache mit den Ring-Arten, die rund um eine evtl. isolierte Population herum existieren. Auch hier findet das BSC keinen Halt...

                              Viele Grüße,
                              Wulf

                              P.S.: Ich stimme Harry zu. Eine solche Diskussion, bei der man (ich) noch was lernen kann, finde ich höchst interessant und spannend! Danke!

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