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Ständig neue Namen

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  • Ständig neue Namen

    Hallo zusammen

    Der gute alte Linée suchte vor rund 300 Jahren ein System, mit welchem man für jedes Lebewesen einen international gültigen Namen definieren konnte. Ihn störte, dass es eine grosse und verwirrende Vielfalt regional unterschiedlicher Bezeichnung für Tiere und Pflanzen gab. Was in der einen Region ein Alpensalamander war, wurde andernorts als Regenmolle oder Regenmolch bezeichnet, von Namen in anderen Sprachen ganz zu schweigen. So "erfand" er die inzwischen international gebräuchliche, binominale Nomenklatur, der Alpensalamander bekam einen Gattungs und einen Artnamen und heisst heute Salamandra atra.
    Leider sind wir inzwischen wieder so weit wie damals bei Linnée, dass kaum noch jemand einen Überblick hat, wie ein Tier derzeit gerade heisst. Was vor 20 Jahren einfach Vipern der Gattung Vipera waren, ist heute Daboia, Macrovipera oder aber immer noch Vipera. Elaphe heissen heute nur noch wenige Kletternattern. Die meisten sind inzwischen Pantherophis, Coelognathus, Oreophis, Orthriophis, Senticolis, Zamenis usw. Noch schlimmer bei den Laubfröschen: Bis vor ein paar Monaten war's ganz einfach. Fast alles waren Arten der Gattung Hyla, aber jetzt? Hyla tuberculosa heisst neu Ecnomiohyla tuberculosa, Hyla microcephala ist heute Dendropsophus microcephalus, Hyla faber ist Hypsiboas faber und Beutelfrösche sind anscheinend gar keine Laubfrösche (Hylidae), sondern Pfeiffrösche (Leptodactylidae). Das gleiche "Spiel" bei Trimeresurus und vielen anderen Gattungen. Oder noch komplizierter: Varanus gouldi wurde zu Varanus flavirufus, weil das Typusexemplar von Varanus gouldi eigentlich ein Varanus panoptes war und somit Varanus panoptes neu Varanus gouldi heissen musste. V. gouldi war aber bereits vergeben, so dass für diese Tiere der Name der Unterart V. g. flavirufus als neuer Artname herhalten musst und die neue Art Varanus flavirufus hiess. Da aber ein paar Aussis und Amis damit nicht leben konnten, wurde die ganze Sache mit diesen Waranen wieder rückgängig gemacht, indem neue Typen definiert wruden, so dass Varanus gouldi heute wieder Varanus panoptes heisst und Varanus flavirufus wieder Varanus gouldi ist, wobei aber die frühere Unterart Varanus gouldii rosenbergi zu Varanus rosenbergi wurde.
    Das einzige, was anscheinend noch eine gewisse Konstanz hat, das sind die sogeannten Vulär- oder Trivialnamen wie Kornnatter (Pantherophis guttatus), Bergotter (Daboia xanthina oder heisst sie in der Zwischenzeit auch nicht mehr so?), Weisslippen Bambusotter (Crytelitrops albolabris). Da weiss jeder, worum's geht.
    Ich verstehe ja das Bedürfnis der Systematiker ein "natürliches" System aufzubauen und alle Arten darin zu platzieren. Ich verstehe auch das Bedürfnis, sich mit vielen Publikationen einen Namen zu machen. Aber je länger je mehr wird die ganze Nomenklatur absolut unübersichtlich. Wäre es nicht langsam an der Zeit, sich über ein neues System ernsthafte Gedanken zu machen? Ein System, das mehr Konstanz hat, als das von Linée?
    Und die ganzen Namensänderungen bergen auch Gefahren. Was passiert z.B. wenn jemand von einer Crytelitrops albolabris gebissen wird und dies dem behandelnden Arzt so gemeldet wird? Die Ärzte in der Notaufnahme wissen ja meist nicht mal wirklich wie man einen Giftschlangenbiss behandelt. Und wenn sie dann den Namen dieser Schlange nirgends finden, dann können sie sich auch nicht schlau machen, was zu tun ist bzw. welches Serum sie benutzen sollen.

    Wie steht Ihr zu diesem Problem?

    Viele Grüsse
    Beat
    Leiter DGHT-Landesgruppe Schweiz und DGHT-Stadtgruppe Zürich
    www.skn-reptilien.ch

  • #2
    Re: Ständig neue Namen

    Intelligetn zusammengestellte genetische Marker und Strichcode...das wird ja schon angedacht und ist eindeutig.
    Viele wehren sich dagegen. Ich finde das gut, denn es erlaubt mir, folgende eigentlich ketzerische Vereinfachugn vorzuschlagen:
    Die kennzeichnugn übe reindeutige "genetische Fingerprints" würde es in meinen Augen nämlich rechtfertigen, alle derzeit Verfügbaren Namen unabhängig von ihrer Taxonomischen Relevanz auf dem Status qo einzufrieren.
    Damit ist umlernen ein für allemal nicht mehr nötig und selbst, wenn der Name die taxonomie nicht korrekt widerspiegelt, der zugehörige Barcode ist eindeutig.
    Benamsungsdiskussionen gibt es dann nur bei Neubeschreibungen und neu aufgedeckten Synonymen.
    Namen sind dann mehr historisch gewachsene Bezeichnungen denn taxonomische Identifier.
    Warum aber nicht?
    Auf jeden Fall sollte das ganze weitaus konstanter und somit übersichtlicher bleiben, ale es jetzt ist.
    So könnte ich mir das vorstellen. Dann bleibt Microgeophagus ramirezi zB ab sofort so stehen und es stört keinen, ob der eigentlich Papilioschromios, Apistogramma oder sonstwie heissen "müsste".

    [[ggg]Editiert von Ingo am 02-12-2005 um 14:18 GMT[/ggg]]
    Kober? Ach der mit den Viechern!




    Kommentar


    • #3
      Re: Ständig neue Namen

      Hallo Beat,

      bakeret schrieb:

      ...und Beutelfrösche sind anscheinend gar keine Laubfrösche (Hylidae), sondern Pfeiffrösche (Leptodactylidae).
      ui, DAS interessiert mich! Kannst Du mir dazu einen Literaturtipp geben?

      viele Grüße,
      Martin

      Kommentar


      • #4
        Re: Ständig neue Namen

        Lieber Beat!

        "So ist das Leben", kann ich da nur sagen. "Nichts ist statisch - alles ist im Fluss". Warum sollen nur die Lebenwesen dem Evolutionsprozess unterworfen sein und nicht auch die menschlichen Krücken, die diese zu beschreiben und ordnen versuchen?

        Bisher haben wir noch keine bessere Methode als der gute alte Carl von Linné gefunden, um die Vielfalt unserer belebten Umwelt zu ordnen und mit ihr gleichzeitig schnell und offensichtlich Verwandtschaften darzustellen. Der Kerl war eben genial!

        Vor neuen Darstellungsmethoden mit angestrebter Konstanz, wie sie Herr Kober andeutet, graut es mir, ehrlich gesagt.

        Wie bereits eingangs angedeutet, ist die Taxonomie mit zunehmendem systematischen Erkenntnisgewinn im kontinuierlichen Wechsel begriffen. Das begann schon unmittelbar nach Linné's Standardwerk, der 10. Auflage seines "Systema Naturae" von 1758. Linné selber hat nämlich noch alle vierfüßigen, geschwänzten Lurche und Kriechtiere als verwandt betrachtet und unter dem Gattungsnamen Lacerta beschrieben, wie zum Beispiel Lacerta agilis, Lacerta crocodilus und Lacerta salamandra. Laurenti hatte dann bereits 10 Jahre später einen deutlich besseren Durchblick und beschrieb das Nilkrokodil als Crocodylus niloticus und den Alpensalamander als Salamandra atra.
        Diese Entwicklung begann also schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts, und sie hat sich in den letzten Jahrzehnten mit zunehmendem Erkenntnisgewinn immer rasenter fortgesetzt. Solange erkennbar bleibt, welche Art im Zweifelsfall gemeint ist, halte ich das Geschehen nicht für problematisch. Daran ändern auch einige "Herpetologenspielplätze", wie die von Dir geschilderten Waranbeispiele grundsätzlich nichts.

        Ich gebe ja gerne zu, dass einige der aktuellen Namensänderungen bei Terrarianern zuweilen Verwirrung, Verwunderung oder Verärgerung auslösen. Immerhin regt dies aber dann doch den einen oder anderen dazu an, nach den Ursachen zu fragen. Dies bringt Erkenntnisgewinn und ist von daher in keinem Fall schädlich.

        Der von Dir vermuteten Konstanz der Trivialnamen kann ich nur bedingt folgen. Erstens haben sie grundsätzlich nur in jeweils einer Sprache Gültigkeit, zweitens gibt es selbst hier regionale Unterschiede (Beispiel: Waldeidechse [Nord-Deutschland] - Bergeidechse [Süd-Deutschland]), und drittens sind selbst diese Namen im Laufe der Zeit nicht selten einer Wandlung unterworfen.

        Das waren nur mal ein paar Gedanken von mir.

        Viele Grüße,

        Wolfgang
        Redakteur der Zeitschrift "Die Eidechse"

        Kommentar


        • #5
          Re: Ständig neue Namen

          Lieber Beat

          Also erst einmal: Nichts gegen Pantherophis und Co., gell - das passt schon so!

          Ausserdem würden dann ja noch mehr Kollegen arbeitslos, wenn Deine Idee sich durchsetzte!

          Klar, die Geschichte mit dem Varanus gouldi/panoptes/flavirufus war unglücklich, kommt in der Art aber auch selten vor. Es ist noch nicht so lange her, da mussten sich die Schildkrötenfreunde auch daran gewöhnen, dass Testudo h. hermanni plötzlich nicht mehr ist was es war, und heute spricht niemand mehr darüber. Und wenn man alte und eigentlich inkorrekte Namen aufgrund ihrer weiten Verbreitung konservieren möchte, dann sollte man das tun, bevor man durch Umbenennung und Rückbenennung Verwirrung um nicht zu sagen Chaos stiftet; bei Hierophis viridiflavus ging das ja z.B. auch.

          Meiner Meinung nach liegt das Problem nicht am System Linnés, sondern allenfalls an denen, die damit arbeiten und es dabei manchmal, zugegebenermassen, vielleicht auch übertreiben. Aber würden dieselben Taxonomen dies in einem anderen System nicht genauso machen? Die Trivialnamen werden zwar nicht von Systematikern und Taxonomen vergeben, sind aber trotzdem ein gutes Beispiel für eine unkonsequente und nicht selten verwirrende Situation.

          Wie weiter oben schon angedeutet, kann ich auch nicht alles nachvollziehen, was da nomenklatorisch abgeht - das liegt sicherlich auch daran, dass ich mich bei vielen dieser Gruppen schlicht zuwenig auskenne (z.B. die Hyla-Geschichte). Allgemein scheint das amerikanische splitting immer beliebter zu werden, und gewisse neuere Erkenntnisse meist aus dem Genetiklabor brauchen ja auch Raum, um zur Geltung zu kommen. Aber warum brauchen wir denn nebst Unterfamilien noch Übergattungen? Nur damit jemand dann auch noch einen Tribus zwischenschieben kann???

          Wie auch immer, ich denke, wir werden mit den Nachteilen genauso leben müssen wie wir die Vorteile schätzen....

          Herzliche Grüsse,

          Markus
          Markus Ruf

          ...and on the 8th day, God created reptiles.

          Kommentar


          • #6
            Re: Ständig neue Namen

            Hallo zusammen

            Auf keinen Fall sollen die Taxonomen arbeitslos werden. Aber gerade wenn grosse Sammelgruppen (z.B. Hyla, Trimeresurus, Elaphe) überarbeitet und aufgesplittet werden, so sorgt das doch für einige Verwirrung. Zumal sich in manchen Fällen auch die Fachleute in keiner Weise einig sind, ob die vorgenommene Aufsplittung in dieser Art "korrekt" ist. Gerade bei der aktuellen Arbeit von Faivovich et al. (2005) über die Laubfrösche (Hylidae) bin ich mir keinesfalls sicher, dass der momentane Status lange so bleibt. (Infos gibts übrigens hier: http://www.cnah.org/cnah_pdf.asp (Faivovich, Julián, Célio F. B. Haddad, Paulo C. A. Garcia, Darrel R. Frost, Jonathan A. Campbell & Ward C. Wheeler (2005): Systematic review of the frog family Hylidae, with special reference to Hylinae: Phylogenetic analysis and taxonomic revision. Bulletin of the American Museum of Natural History 294: 1-240). Bespiele hierfür gibt es viele wie etwa die diversen Revisionen der ehemaligen Gattungen Coluber oder Lacerta.

            Eine Idee, wie man das Problem lösen könnte wäre doch z.B. folgende: Jede Art behält auf "immer und ewig" den ursprünglichen Namen aus der Erstbeschreibung: Beim Nilkrokodil wäre dies "Lacerta niloticus" bzw. bei Arten, bei denen in den letzten 20 Jahren nichts verändert wurde den heute bzw. bis vor kurzem gebräuchlichen (wichtig wäre hierbei in Stichdatum). Zusätzlich wird zwischen der Gattungs- und den Artnamen oder vor dem Gattungsnamen die aktuelle Gattung gemäss den neuesten Kenntnissen der Systematik in Klammern eingefügt. Das Nilkrokodil würde deshalb "Lacerta [Crocodylus] niloticus" oder "[Crododylus] Lacerta niloticus" heissen. Aus der binominalen würde somit eine trinominale Nomenklaturm wobei aber nur Änderungen im Gattungsnamen so behandelt würden. Artänderungen sollten wie bisher möglich sein. Sicher müsste ein solches System im Detail noch ausgereift werden, aber ev. könnte es helfen, Verwirrungen zu vermeiden.

            Viele Grüsse
            Beat
            Leiter DGHT-Landesgruppe Schweiz und DGHT-Stadtgruppe Zürich
            www.skn-reptilien.ch

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            • #7
              Re: Ständig neue Namen

              Aus der binominalen würde somit eine trinominale Nomenklaturm wobei aber nur Änderungen im Gattungsnamen so behandelt würden. Artänderungen sollten wie bisher möglich sein. Sicher müsste ein solches System im Detail noch ausgereift werden, aber ev. könnte es helfen, Verwirrungen zu vermeiden.
              Das würde die Sinnhaftigkeit der Familie oder auch Gattung in Frage stellen, die ihrerseits ja auch eine systematische Bedeutung hat. In beiden werden ähnliche Merkmale zusammengefasst, und unter Lacerta stellt man sich heute einfach mal was anderes vor. Eine solche Revision des binomalen Systems würde wohl in einem Chaos enden! Im übrigen gibt es die trinominale Namensgebung für Unterarten schon, was würde dann passieren, wenn Unterarten umgruppiert werden, man hätte quatronominale Namensgebung, was das ganze dann schon wieder unleserlich machen würde.
              Ausgehend davon, dass sinnvolle systematische Einteilungen nur auf Basis neuer Erkenntnisse durchgeführt werden, könnte man aber evtl. ein System einführen, dass nicht jeden formal richtig (nach den Regeln der ICZN) publizierten Namen direkt verfügbar macht. Der neue Name könnte erst nach einer "Diskussionsfrist" verfügbar werden. Und hält eine publizierte These dem aktuellen Wissen stand, wäre der Name verfügbar und dann müßte man halt doch den neuen Namen lernen. Ich jedenfalls bin auch gegen ein "statisches System".

              mfG,
              Wulf

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              • #8
                Re: Ständig neue Namen

                Moin,


                @Beat: Wird das nicht auch über die Einbeziehung des Erstbeschreibers deutlicher (der ja zum vollständigen wissenschaftlichen Namen gehört)?

                Beispiele:
                Flussbarsch Perca fluviatilis L.
                Aber:
                Rotauge Rutilus rutilus (L.)

                Beide Arten wurden von Linné beschrieben, der Barsch allerdings unter dem noch heute gültigen Namen (daher 'L.' ohne '()'), das Rotauge nicht (daher 'L.' in'()').

                Markus


                Halte einige asiatische Kletternattern:
                http://www.bimaculata.de

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                • #9
                  Re: Ständig neue Namen

                  Linnés System finde ich absolut in Ordnung.
                  Allerdings sollten sich die Taxonomen auf ein einheitliches Artkonzept einigen.
                  Dann gibt es auch weniger Verwirrung.

                  Anders gesagt: Wenn man schon versucht, die zoologische Vielfalt in Schubladen zu sortieren, dann sollten sich diese Schubladen auch in der selben Kommode befinden.

                  Gruß
                  Stefan
                  Stefan Schiff, Jahrgang 1973,
                  bibliophil.

                  Kommentar


                  • #10
                    Re: Re: Ständig neue Namen

                    Richtig erkannt Stefan,
                    ich glaube nicht das das System das Problem ist, sondern die unterschiedlichen Artbegriffe, die ja, was den Artstatus angeht, extrem unterschiedlichst sind.
                    Und was macht man wenn eine beschrieben Unterart nach weiterer Erkenntnis die Unterart einer anderen Art ist? Dann hätte man ja die drei echten Namen plus noch bis zu zwei neue. Also ein langes Namensgebilde, dem ja dann noch die Beschreiber zugefüht werden müssen. Das kann es nicht sein.
                    Das System ist in Ordnung und es wird immer der Wunsch bestehen es einigermassen "Lebensecht" zu sortieren. Und erst in dem Moment wo alle Arten bekannt sind, wird dies etwas abebben. Aber nur etwas.
                    Philipp

                    Kommentar


                    • #11
                      Re: Ständig neue Namen

                      So mal ganz laienhaft gefragt, wäre folgendes Unsinn? bzw warum???


                      Gattung - Gattungsgruppe - art - unterart


                      noch abwegiger?
                      Gattung - Gattungsgruppe - art - zwischenart - unterart

                      mich verwirrt es schon, wenn ich beispielsweise div. Vipern oder Warane auf den ersten Blick gar nicht mehr identifizieren kann................................

                      ex-wagleriverwirrter gruß

                      [[ggg]Editiert von braun mit Algen am 05-12-2005 um 11:48 GMT[/ggg]]

                      Kommentar


                      • #12
                        Re: Ständig neue Namen

                        Hallo Philipp

                        Die Definition des Artbegriffes ist das Eine. Ich hatte mal gelernt, dass eine Art eine "Fortpflanzungsgemeinschaft innerhalb eines zusammenhängenden Gebietes" sei. D.h. eigentlich wären all die mühsamen Schuppenzählereien, Hemipenesausmessungen, Suchen nach Färbungsunterschieden und Bestimmungen irgendwelcher DNA-Sequenzen hinfällig, wenn die Systematiker (Frauen sind da auch gemeint) "einfach" mal schauen würden, welche Tiere sich mit welchen verpaaren und mit welchen nicht; und dies in der Natur und nicht im Labor und auch nicht, wenn eine "Art" als Alien-Species in einem neuen Gebiet auftritt. Wenn sich bestimmte Individuen mit anderen nicht fertil vermehren, dann sollten da prinzipiell 2 (oder mehr) Arten vorliegen. Wer sich dagegen erfolgreich mit andern kreuzt, der kann nichts besonderes sein. Ich glaube aber kaum, dass solche Dinge wirklich von den Museumsleuten ausgetestet werden (können).

                        Viel mehr Mühe als die Beschreibung neuer Arten oder der Abstapltung solcher, bereitet mir derzeit die Definition der Gattung. Da scheint ein echtes Chaos zu herrschen. Wenn ich z.B. die Arten der (ehemaligen) Gattung Phrynohyas (Krötenlaubfrösche) mit der Gattung Trachycephalus, zu welcher die Krötenlaubfrösche angeblich gehören sollen, vergleiche, so ist es für unverständlich, wieso diese Arten zusammen gehören sollen: Phrynohyas ist ein ausgesprochen warziger Frosch mit einem ekelhaft klebrigen Hautsekret. Trachycephalus (ich kenne leider nur die Art T. jordani aus Ecuador) hat dagegen eher eine schwach genoppte Haut und ein "normales" Hautsekret. Ausserdem ist bei T. jordani die Haut des Kopfes mit dem Schädeldach verwachsen, was bei Phrynohyas zumindest nicht so ausgeprägt der Fall ist. Ich fürchte, dass immer mehr Laborsystematiker mit DNA-Analysen da irgend was zusammenbasteln, ohne die Arten je lebend gesehen zu haben, geschweige denn etwas über ihre Lebensweise wissen. Und wer sagt dann, dass mittels der Analyse eines mitochondrialen Cytochrom's wirklich Arten voneinander unterschieden werden können? Da gibt es doch bei Vertebraten noch 20'000 - 40'000 weitere Gene, die mindestens genau so wichtig sind, wie die eher konservativ vererbten, mitochondrialen Gene.

                        Viele Grüsse
                        Beat
                        Leiter DGHT-Landesgruppe Schweiz und DGHT-Stadtgruppe Zürich
                        www.skn-reptilien.ch

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                        • #13
                          Re: Re: Ständig neue Namen

                          bakeret schrieb:
                          "einfach" mal schauen würden, welche Tiere sich mit welchen verpaaren und mit welchen nicht; und dies in der Natur und nicht im Labor und auch nicht
                          Da wirst du aber arg in Bedrängnis kommen wenn du das so definierst. Gerade bei den Nordamerikanischen Elaphe findest du ne ganze Reihe von Arten die sich miteinander auch in der Natur verpaaren und du findest sogar Vertreter unterschiedlicher Gattungen, die fertile Nachkommen zeugen.

                          Allgemein:
                          Ich stelle mir jedoch die Freilandbeobachtungen toll vor, bei denen man Jahre lang jede Paarung bzw. jedes Gelege ausheben muß, um den Gegenbeweis anzutreten, dass sich die Tiere zweier Arten doch verpaaren. Das Beweisverfahren hinsichtlich einer nicht-möglichen Verpaarung im Terrarium/Labor schließt du ja aus. Demzufolge müßte man per se jeglichen Gruppen (ehemaligen Arten) unterstellen sie wären eine eigene Art, um dann auf den Gegenbeweis durch gefundene Kreuzungen zu warten - na da freue ich mich wenn es alle halbe Jahr heißt "Verpaarung entdeckt, die beiden sind doch eine Art - Tadaa Tadaa Tadaa". :-)

                          Ich weiß nicht ob der Gedanke wirklich bis zum Ende durchdacht wurde. Sorry.

                          Kommentar


                          • #14
                            Re: Re: Ständig neue Namen

                            Hallo Beat,

                            was du beschreibst ist der von Mayr geprägte Biologische Artbegriff, dem ich zugegebenermassen auch anhänge. Dieser ist aber nicht mehr "in" und wurde vom phylogenetischen Artbegriff zumindest in Amerika bereits abgelöst. Dieser kennt zum Beispiel keine Unterarten. Die Paläontologen aber auch noch andere Artbegriffe.

                            Gattungen werden so lange ein Problem sein, wie noch nicht alle Arten erkannt und "familär" geordnet sind, denn die Gattung ist ja nicht eine Einteilung der Natur, sondern eine des Menschen der hier gerne nahe verwandte Arten gruppiert. Und welche nahe vernwandt sind oder wie eng die Verwandtschaft sein soll wird vom bearbeitenden Wissenschaftler entschieden. Das einzig wirklich definierte Taxa ist die Art. Obwohl auch hier immer mehr Leute fragen: Ist die Art real?
                            M.E. ist sie es und lässt sich tatsächlich darüber definieren ob sie sich fortpflanzen oder nicht. Allerdings kann man dies nicht nur an Beobachtungen festmachen sondern muss es eben anders testen. Es heisst im Biolog. Begriff ja auch die eine potentielle Fortpflanzungsgemeinschaft bilden. Aber es gibt eben auch eine Menge Tierarten die da rausfallen. Was machst du mit Jungferngeckos?

                            Liebe Grüße,
                            Philipp

                            Kommentar


                            • #15
                              Re: Ständig neue Namen

                              Hallo zusammen!

                              "...was du beschreibst ist der von Mayr geprägte Biologische Artbegriff, dem ich zugegebenermassen auch anhänge. Dieser ist aber nicht mehr "in" und wurde vom phylogenetischen Artbegriff zumindest in Amerika bereits abgelöst..."

                              Tja Schade ist das, denn die Auffassung von Mayr läßt wenigstens die Ökologie nicht draußen. Immerhin sind ja die Lebensräume bekannter maßen ein wichtiges ökologisches Element... ob sich die verschiedenen Populationen nun untereinander fortpflanzen oder nicht.

                              Ich halte den Artbegriff ohnehin für eine Frage des Standpunktes, denn je nach dem was man betrachtet gibt es selbst zwischen Individuen einer Population erhebliche Unterschiede (siehe Giftzusammensetztung bei Schlangen und den somit resultierenden Verhaltensunterschieden beim Beutefang z.B.). Systematik und Taxonomie sollte eine Orientierungshilfe für (z.B.) das Verständnis für Evolution sein... daher kann man meines Erachtens auch nicht an einer Stelle einfach Schluß machen und alles lassen wie es ist. Das Problem wird doch dann, dass wir zwar nicht mehr Namen neulernen, sondern Zugehörigkeiten in Verwandschaftsverhältnissen... und das halte ich bei verschiedenen Namen für deutlich schwieriger.

                              Ich glaube, dass es wahrscheinlich der Orientierung dienlicher ist eine zeitlich im Fluß befindliche, aber wenigstens für den Augenblick der derzeitigen Erkenntnisse, richtige Systematik zu haben. Wenn man hier einen Schlußpunkt setzt müsste man nämlich wie gesagt trotzdem wieder neu sortieren, aber mit verschiedensten Namen und daher mit noch größerem Verwirrungspotenzial.

                              Viele Grüße

                              Sacha

                              Kommentar

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