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Phoneutria - Missverstandene Terrarienpfleglinge?

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  • Phoneutria - Missverstandene Terrarienpfleglinge?

    Hallo,

    Spinnen der Gattung Phoneutria zählen seit jeher zu den eher selten gepflegten Arten in deutschen Terrarien.

    Bedingt durch den allgemeinen Interessenzuwachs an der Pflege labidognather Spinnen im Terrarium sind diese Spinnen jedoch mittlerweile quasi für Jedermann erhältlich. Zeit, sich diese Gattung einmal genauer anzusehen.

    Die Gattung Phoneutria (PERTY, 1833) gehört zur Familie der Ctenidae, wie auch Ancylometes und Cupiennius. Trivialnamen sind u. a. Bananenspinne, (Brasilianische) Wanderspinne und auch Kammspinne. Phoneutria stellt mit einige der größten Jagdspinnen überhaupt. Aktuell sind fünf Arten beschrieben: P. bahiensis, P. boliviensis, P. fera, P. nigriventer und P. reidiy.
    Dieser Sachstand ist als unbefriedigend anzusehen, da die Existenz weiterer Arten ein "offenes Geheimnis" darstellt. Gerade aus Ländern wie Ecuador und Kolumbien wurden in den vergangenen Jahren immer mal wieder Tiere "versehentlich" mit Fruchtexporten eingeführt, die von Habitus und Verhalten zwar zweifelsfrei der Gattung zu zu schreiben waren, jedoch keiner der beschriebenen Arten entsprachen.
    Die Existenz dieser Arten wird auch von südamerikanischen Forschern bestätigt, eine Beschreibung steht jedoch aktuell noch aus. Eine weitere Problematik bei der genauen Identifizierung stellt die extreme Farbdiversität dar, die Vertreter dieser Gattung aufweisen können. Selbst innerhalb derselben Art können die regionalen Farb- und Zeichnungsunterschiede so drastisch ausfallen, dass man meinen könnte, zwei verschiedene Arten vor sich zu haben.
    Dies geht so weit, dass sogar die südamerikanischen Spezialisten Schwierigkeiten haben, Arten ohne detailierte taxonomische Untersuchung zu bestimmen. Auch die geografische Distribution ist lediglich eine eher unzureichend bekannte Hilfe. So wurde erst kürzlich in Para, Brasilien eine Spinne entdeckt, die durch taxonomische Untersuchungen als P. fera identifiziert wurde, eine bislang dort nicht nachgewiesene Art. Sowohl Färbung, als auch Habitus weichen denn auch stark vom "Normal-Typus" ab (ähnliche Fundmeldungen sind mittlerweile auch aus Rhondonia, Brasilien gemeldet).

    Phoneutria genießt einen eher schlechten Ruf, was die Giftigkeit angeht, zumindest teilweise, nicht ganz zu unrecht.
    Die Gattung stellt stellt die giftigste Spinne Amerikas, P. nigriventer. Die früher häufig als "giftigste Spinne der Welt" verunglimpfte P. fera, wird hingegen mittlerweile "freigesprochen": bei Untersuchungen früherer Bissunfälle drängte sich der Eindruck auf, dass wohl P. nigriventer der Verursacher war, die Spinnen waren anscheinend falsch bestimmt worden (mündl. Mitt. BERTANI).
    Der erwiesenermaßen giftigste Vertreter der Gattung ist nach aktuellen Erkenntnissen eindeutig P. nigriventer. Während diese Spinne erwiesenermaßen Todesfälle bei Menschen verursacht hat, sind diese als eher selten anzusehen.
    Während diese Spinnen generell als äußerst giftig anzusehen sind und leider auch nicht eben "beiß-faul" sind, sind sie doch glücklicherweise recht "geizig" mit ihrem Gift. Auswertungen von Bissunfällen in Brasilien ergaben, dass die überwiegende Mehrheit aller Unfälle (>90 %) recht leicht verliefen.
    Dies sollte jedoch nicht zu der Annahme verleiten, diese Spinnen als harmlos einzustufen! Bisse solcher Tiere sind selbst bei "nur" minderschweren Vergiftungen extrem schmerzhaft und Bedürfen medizinischer Behandlung. Bei schweren Vergiftungen ist ein Antivenin verfügbar.

    Die o. a. Informationen beziehen sich ausschließlich auf P. nigriventer, wie sieht es mit den anderen Phoneutria Arten aus?
    Entgegen der Meldungen aus den 30´er bis 50´ er Jahren, die P. fera eine erhebliche Giftwirkung bescheinigen, sind solche Medlungen in den letzten 40 Jahren Mangelware geworden. Auch von den anderen Arten sucht man in allgemein zugänglichen Quellen vergeblich nach dokumentierten Bissunfällen. Diese Tatsache sollte schon stutzig machen, entwickelt die Menschheit doch im allgemeinen reges Interesse an Spinnen, wenn diese erst einmal einen Menschen getötet haben. Solche Meldungen fehlen jedoch für die anderen Arten, außer eben P. nigriventer, komplett.

    SCHMIDT gab schon 1976 in der Zeitung "Weserkurier" an, dass "der Biss von P. boliviensis aber selbst für Kinder nicht lebensgefährlich ist". Die jüngsten Untersuchungen von Marta do Nascimento Cordeiro, die die Zusammensetzung der Toxine verschiedener Phoneutria Arten analysierte, stellten einige quantitative Unterschiede bei der Präsenz von Toxin Fraktionen heraus: gerade das für Primaten hochwirksame PhTx1 war in den Gesamt-Toxinen der anderen, neben P. nigriventer untersuchten Arten, eher gering ausgeprägt. Dafür fand man höhere Konzentrationen von den Fraktionen, die ihre stärkste Aktivität bei Amphibien, Reptilien und Insekten entfalten.
    Diese Ergebnisse legen nahe, dass die anderen Phoneutria Arten bei Menschen zumindest keine lebensbedrohenden Symptome verursachen können. Als "harmlos" sollte auch ihr Biss dennoch nicht eingestuft werden. Aufgrund der hohen Konzentration an Histamin und Serotonin im Gift dürfte auch ein Biss dieser Spinnen extreme Schmerzen hervorrufen.
    Nichtsdestotrotz erachtet der Verfasser die aktuelle Situation, dass vorwiegend P. nigriventer in deutschen Terrarien angetroffen wird, unter Anbetracht der neueren Forschungsdaten als eher paradox: wenn schon "mindergifitge Alternativen" innerhalb derselben Gattung verfügbar sind, sollten gerade diese für die private Haltung bevorzugt werden.

    Auf die konkreten Haltungsansprüche dieser Spinnen, soll an dieser Stelle nicht detailiert eingegangen werden, auf einige Unterschiede zur Haltung anderer Jagdspinnen hingegen schon.
    Phoneutria können in der Regel wie Cupiennius ssp. gehalten werden, lediglich regionale (sofern bekannt) Feinheiten sollten beachtet und umgesetzt werden (Klimadiagramme). Die Haltung adulter Exemplare bereitet im Regelfall keine größeren Schwierigkeiten, sofern der Schnelligkeit dieser Spinnen Rechnung getragen wird. Wer Jagdspinnen der Gattungen Cupiennius, Heteropoda tec. gepflegt hat, wird wissen, wie schnell solche Spinnen sein können. Phoneutria stehen diesen Gattungen in nichts nach, sodass ein Ausbruch dieser Tiere das primäre Risiko bei der Haltung darstellt. Erschwerend kommt hinzu, dass Vertreter dieser Gattung, im Gegensatz zu bspw. Cupiennius, als äußerst leicht reizbar anzusehen sind. Vor allem adulte Wildfänge sind mit äußerster Vorsicht zu "genießen", oftmals reichen kleinste "Störungen" (z. B. Betreten des Terrarien-Raumes), um die Tiere in eine agressive Drohstellung gehen zu lassen, die sie bis zu 30 Minuten beibehalten. Aus dieser Drohhaltung heraus können die Spinnen leicht Sprünge absolvieren, sodass es sich empfiehlt, bei Wartungsarbeiten mit äußerster Vorsicht vorzugehen.

    NZ Tiere sind nach Erfahrung des Verfassers oft erheblich ruhiger. Dies sollte jedoch nicht zu der Annahme verleiten, die Tiere seien friedlich oder gar berechenbar!
    Phoneutria sind und bleiben wilde Tiere, die aufgrund ihres Toxins, ihres reizbaren Naturelles und ihrer Geschwindigkeit eine nicht unerhebliche Bedrohung darstellen können!

    Während die Haltung der Adulti bei Beachtung der gebotenen Vorsicht eher problemlos ist, ist die Aufzucht von Jungspinnen oftmals eher problematisch, ja wurde von einzelnen Züchtern in der Vergangenheit sogar als "nahezu unmöglich" beschrieben. Gerade die in jüngster Zeit häufiger gepflegte P. nigriventer ist "berüchtigt" für hohe Mortalitätsraten bei der Aufzucht, in Extremfällen bis zu 99%.

    Zuchtversuche mit P. fera (Exemplare aus Franz.-Guyana), die Ende der 90´er liefen, zeigten moderatere Verlustraten um die 50%. Für P. nigriventer existiert bis heute leider kein "Patentrezept" für eine erfolgreiche Aufzucht. Dies bedeutet für "Hobby-Arachnologen" jedoch im Umkehrschluss auch, dass hier noch ein Stück "echte Pionierarbeit" zu leisten ist.

    Fazit: Phoneutria stellen einige recht großwerdende und teils auch attraktiv gezeichnete Jagdspinnen.
    Wer bereits über Erfahrung mit der Haltung anderer, harmloserer Jagdspinnen verfügt und ein neues Tätigkeitsfeld sucht, der möge sich die Tiere ruhig etwas näher ansehen. Zu bevorzugen seien dann NZ Tiere, da diese in der Regel etwas friedfertiger sind, als Wildfänge.
    Adulte WF sollten Haltern vorbehalten sein, die über langjährige Erfahrung im Umgang mit solchen Spinnen verfügen, ihr Agressionspotential ist keineswegs zu unterschätzen!

    Mein Dank geht an Peter Klaas, der mir vor Jahren wertvolle Tips zum Umgang mit Spinnen dieser Gattung gab, sowie an Thomas Vinmann, für das zur Verfügung stellen der abgebildeten Exemplare.

    Phoneutria fera, cf Oyapok (Jungtier)





    Freundliche Grüße,

    Stefan

    Bitte hier nur Links zu den Bildern einstellen
    Danke
    Moderatorin
    Zuletzt geändert von Moderation; 25.03.2006, 20:10.

  • #2
    Fast druckreif - Kompliment!

    Lieber Stefan,

    mein Kompliment für diesen ausführlichen, ausgezeichneten und beinahe "druckreifen" Beitrag!

    Sicher werden dir die beiden von mir w. u. genannten Spinnenbücher nicht unbekannt sein!? Ich bin erstaunt darüber, dass die früher angenommene Giftigkeit von Phoneutria fera - BÜCHERL, der im Instituto Butantan jahrelang Sera gegen Spinnengifte entwickelte, hielt schließlich diese Kammspinne "für die giftigste Spinne der Welt" (!) - offenbar auf Fehlbestimmungen beruhte. Sollte sich dieser ausgewiesene Experte tatsächlich so bei der Determination getäuscht haben?

    Wissbegierig grüßend

    GmM

    Crome, Wolfgang
    Taranteln, Skorpione und Schwarze Witwen
    Ein Streifzug durch das Reich der giftigen Spinnentiere

    Die Neue Brehm-Bücherei Bd. 167
    2. Aufl. 2005,
    94 S.
    75 S/W-Abb.,

    ISBN: 3-89432-622-0, € 19.95 / sFr 35.00
    - Reprint/Nachdruck der Auflage von 01.01.1956

    Bücherl, Wolfgang
    Südamerikanische Vogelspinnen


    Die Neue Brehm-Bücherei Bd. 302
    4. Aufl. 2004,
    92 S.
    46 S/W-Abb.,

    ISBN: 3-89432-465-1, € 19.95 / sFr 35.00
    - Reprint/Nachdruck der Auflage von 01.01.1962

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    • #3
      Hallo,

      danke für die Blumen und die Buchempfehlungen!

      Beide Bücher liegen mir in der Tat vor.

      Die "angebliche "Fehl-ID" gerade aus so berufenem Mund wie BÜCHERL, hat mich anfänglich auch gewundert.
      Andererseits kam die Aussage direkt aus Butantan, von Rogerio Bertani..., was soll man glauben?

      Vorerst, keines von beiden! Sondern den Kontext lesen und versuchen, die Daten zueinander in sinnbringende Konstellation zu setzen:

      Schaut man sich die Distributions-Tafeln für die diversen Phoneutria Arten an, so ist recht schnell ersichtlich, dass die einzige Art, die in unmittelbarer urbanisierter menschlicher Nähe heimisch ist, P. nigriventer ist. Logisch also, das es relativ viele Bissunfälle mit dieser Art gibt.

      Die anderen Arten kommen zwar bei verschiedenen Gelegenheiten ebenfalls mit Menschen in Berührung, jedoch kaum in dem Umfang, wie es mit P. nigriventer gängig ist. P. fera hat ihr Hauptverbreitungsgebiet im Amazonasbecken, da sollten 1.) Bissunfälle seltener sein, da weniger Meschen dort unterwegs sind und 2.) hätte BÜCHERL die entsprechenden Fälle kaum so gut dokumentieren können, wenn sie im tiefsten Urwald passiert wären.

      Letztlich stellt sich tatsächlich die Frage, die auch BERTANI auf die Spur brachte: Wie kommt es, dass eine bestimmte Spinnenart über Jahrzehnte immer wieder schwere Vergiftungen bei Menschen auslöst und dies dann "von heute auf morgen" stoppt?

      Referenzdaten aus anderen Regionen sind wie erwähnt leider auch Mangelware, die einzigen gut dokumentierten Bissberichte (die auch frei verfügbar sind), stammen aus Brasilien und drehen sich um Unfälle mit P. nigriventer.

      Selbst in Studien aus Costa Rica, die P. boliviensis zum Thema hatten, werden keine durch diese Spinne verursachten Todesfälle erwähnt, schon erstaunlich.

      Mit einer "allgemeingültigen Aussage" zu dieser Thematik tue ich mich trotz all dieses Wissens sehr schwer, dafür liegt noch zuviel im Dunkel. Gerade aufgrund der jüngsten Verbreitung dieser Spinnen in deutschen Terrarien, als "Haustier", würde es sich meiner Meinung nach aber lohnen, den Gedanken zu verfolgen. So sehr ich selbst auch für die private Haltung solcher Spinnen bin, so kann ich doch nicht umhin, ein gewisses Risiko im Umgang mit diesen Tieren zu sehen.

      Wenn auch nur im entferntesten die Chance besteht, dass es Arten gibt, die wie Phoneutria aussehen, sich wie Phoneutria benehmen, nur eben nicht ganz so giftig sind, sollte dies weiter verfolgt werden. Leider hat man eine Studie schneller gelesen, als man Forschungsdaten ermittelt und in einer Studie zusammengefasst hat, trotzdem bin ich der festen Überzeugung, dass "dort drüben" noch genug hier unbekanntes Wissen schlummert, dass sich konkretere Nachforschungen lohnen. Ansatzpunkte gibt es auch zuhauf, angefangen beim Instituto Butantan, bis hin zu einzelnen Forschern, die sich mit ausgewählten Toxin-Fraktionen befasst haben, lediglich sie alle anzumailen wird noch einiges an Zeit kosten.

      Es sei an dieser Stelle auch angemerkt, dass es mir trotz 14 monatiger Suche nicht gelungen ist, detailierte Aufschlüsselungen über die Gifte der anderen Arten, neben P. nigriventer, aufzufinden. Scheint, dass an der Erforschung der anderen Gifte, bis auf die Studie der zitierten Forscherin, kein allzu großes Interesse besteht.

      Freundliche Grüße,

      Stefan

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      • #4
        Hallo,



        Man wie kannst du diese Bilder hier nur zeigen,da werd ich gleich weich und bestell mir doch noch solch eine Giftspinne:-) .Ich find die Superinteressant nur mein gesunder Menschenverstand verbietet mir solche Tiere zu halten und mich und meine Umgebung solch einer Gefahr auszusetzen.
        Ich geh jetzt mal davon aus dass die Spinne auf den Fotos tatsächlich dir gehört.Wenn das stimmt wie hast du dich dann eigentlich ´für den Fall eines Bisses abgesichert? Wenn da irgendwas schief geht ist doch sicher soviel ich weiß die Hölle los,oder nicht?




        Mfg Chistian

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        • #5

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          • #6
            Gibts hier noch jemanden außer "braun mit Algen" der eine Meinung dazu hat?:-)

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            • #7
              @ Golem,

              Dieser Frage muss sich wohl jeder mal stellen, der Tiere hält die mehr oder minder giftig sind. Ich persönlich empfinde die Haltung von potentiell gefährlichen Tieren als berechtigt. In erster Linie ist die Gefahr davon abhängig, ob der Halter mit dem entsprechenden Verantwortungsgefühl mit den Tieren umgeht. Wenn dies der Fall ist, kann eigentlich nichts passieren. Die wichtigste Unfallverhütung ist somit (nach meiner Meinung) nicht das vorhandensein eines Serums (worauf Du vermutlich ansprichst) sondern eine gezielte Platzierung der Tiere. So ist Phoneutria spp. nunmal eine Spinne, die man nicht einfach so an einer Börse auf den Tisch stellt und jedem x-beliebigen verkauft, sondern man geht gezielt auf Leute zu von denen man weiss, dass sie die nötige Erfahrung und das nötige Verantwortungsbewusstsein aufweisen können. Zumindest bin ich immer so vorgegangen, wenn ich Phoneutria oder ähnliches abzugeben hatte.

              Das gleiche ist es ja eigentlich mit Giftschlangen, diese sind aber so weit etabliert, dass da keiner mehr gross danach fragt. Hat denn jeder Giftschlangenhalter in Deutschland ein Serum parat? (Bin mit der Deutschen Gesetzgebung nicht vertraut.)
              Ich wohne in der Schweiz und bin seit etwa 30 Jahren Terrarianer.

              Halte vorwiegend Colubriden und labidognathe Spinnen.
              http://igt-ag.ch/?page_id=85/

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              • #8
                Hallo,

                Zitat von Gordon
                So ist Phoneutria spp. nunmal eine Spinne, die man nicht einfach so an einer Börse auf den Tisch stellt und jedem x-beliebigen verkauft, sondern man geht gezielt auf Leute zu von denen man weiss, dass sie die nötige Erfahrung und das nötige Verantwortungsbewusstsein aufweisen können. Zumindest bin ich immer so vorgegangen, wenn ich Phoneutria oder ähnliches abzugeben hatte.
                Wäre schön wenn das auch den Tatsachen entsprechen würde.
                Nur sieht die Wirklichkeit auf Börsen und im Internet leider anders aus.

                Will sich jemand eine Phoneutria spp. zulegen ist dies hier in Deutschland leider kein Problem, da die Tiere frei verfügbar und nicht schwer erhältlich sind.


                Meine Meinung nach gehören solche Tiere nur in Fachkundige Hände unter entsprechenden Maßnahmen (zb abschließbare Behälter etc.).

                @Gordon
                deine Einstellung finde ich löblich und richtig, nur leider denken die wenigsten so.

                Oft werden potienziell gefährliche Tiere aus reinem Prestigegehabe gehalten, ohne entsprechende Fachkenntniss oder Vorerfahrung (leider habe ich dies selbst schon viel zu oft erlebt.).

                und mal ehrlich die Wenigsten unter uns sind in der Lage Phoneutria spp. eindeutig zu bestimmen bzw.überhaupt zu bestimmen.

                ps: Der Beitrag von Stefan ist natürlich nicht von schlechten Eltern :-).

                nachdenklichen gruss
                sebastian
                Zuletzt geändert von sebastian C.; 10.03.2006, 15:48.

                Kommentar


                • #9
                  Hallo gordon und sebastian,


                  Ähnlich wie ihr seh ich die Sache auch.Es muss einerseits Leute geben die in der Lage sind die Verantwortung zu übernehmen (ebenfalls bei einem Unfall!) und andererseits die Sache aus einer mehr "wissenschaftlichen" Sicht sehen.Zum angeben sind diese Spinnen garantiert nicht geeignet.Man muss schon einen extra Raum haben in dem die Tiere in gut gesicherten Terrarien gehalten werden.Da ich im Moment noch gar nicht diese Vorrausetzungen habe schau ich mir die Phoneutria erstmal nur in Büchern/ auf Internetseiten an.:-)

                  Mfg Chris

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                  • #10
                    Hallo,

                    interessante Beiträge, die hier aufgetaucht sind.

                    Gerade die von Sebastian C. beschriebene Situation, dass Phoneutria "auf einmal" für jedermann verfügbar sind, hat mich dazu erwogen, einmal etwas offener über die Haltung zu sprechen, um schlicht ein wenig "Aufklärungsarbeit" zu leisten.

                    Die von Christian vertretene Ansicht, wenn sie auch nur versteckt ausgedrückt wurde, dass die Haltung von Phoneutria Arten mit einer Geisteskrankheit gleich zu setzen sei, hat in den vergangenen Jahren zwar niemanden, der ernsthaft an diesen Spinnen interessiert war, davon abgehalten sie zu halten, es sorgte jedoch dafür, dass kaum ein Halter offen darüber gesprochen hat.

                    Vor 10 Jahren funktionierte die "Selbstkontrolle" des Marktes noch wesentlich besser. Diese Spinnen waren damals wesentlich weniger Leuten bekannt, als dies heute der Fall ist. Wer damals eine solche Spinne halten wollte, musste meist recht lange suchen und fragen und selbst wenn man eine fand, hieß dies nicht automatisch, dass man sie auch kaufen konnte.
                    Bei meinem ersten Phoneutria Erwerb, ich war erst vom Verkäufer überhaupt auf die Existenz dieser Gattung aufmerksam gemacht worden, erlebte ich denn auch eine Überraschung: sooo leicht ging das nämlich nicht. Sprich: erst mal musste "Fachwissen" nachgewiesen werden, in Form eines einfachen Interviews. Das ganze drehte sich sowohl um biologische Details, als auch um die Giftwirkung und erste Hilfe Maßnahmen.

                    Heute bekommt jeder die Spinnen, der den Preis bezahlt....

                    Soweit, so schlimm. Schlimmer noch, die Verfügbarkeit der Spinnen ist massiv angestiegen, verglichen zu vor noch ein paar Jahren, dass Wissen um die Haltung jedoch, scheint nicht proportional mitgewachsen zu sein.

                    Das auch "Wissenschaftler", die es eigentlich besser wissen sollten, hartnäckig an ihrem von den Jahrzehnten überkommenen "Wissen" festhalten (siehe die Infoseite von Toxinfo.org), macht die Situation auch nicht gerade besser. In Südamerika sind jüngere Forschungsarbeiten verfügbar, die die Informationen zu bestimmten Arten innerhalb der Gattung eindeutig widerlegen. Unglücklicherweise ist es meist recht kompliziert an diese Arbeiten zu gelangen und selbst wenn man dabei erfolgreich ist, bleibt einem kaum was anderes übrig, als sich mit Übersetzungsprogrammen abzuplagen, so man des Spanischen, bzw. Portugiesischen nicht mächtig ist.

                    Geradezu paradox ist eben, dass gerade die nach aktuellen Erkenntnissen giftigste Art jetzt in Massen auf dem Markt auftauchte, wo es doch "harmlosere" Alternativen gäbe...

                    Bleibt die Hoffnung auf eine "biologische Bereinigung": gerade P. nigriventer ist nicht sooo leicht aufzuziehen, Verlustraten von bis zu 99% machen in diesem konkreten Fall perverserweise Hoffnung.

                    Die ebenfalls vergangenes Jahr erstmalig importierten P. fera cf Oyapok sind im Vergleich zu den P. nigriventer deutlich friedlicher und somit wesentlich einfacher zu pflegen. Bleibt zu hoffen, dass die Aufzucht erfolgreich gelingt, so dass die Art in Gefangenschaft vermehrt werden kann.

                    Bislang machen sich meine beiden Exemplare recht gut, fressen wie Maschinen und haben sich erstmals, seit sie in meiner Pflege sind, gehäutet. Die Häutungen liefen problemlos, wie für viele Cteniden üblich, ließen sich die Spinnen dazu an einem Faden von der Decke herab hängen. Zu meiner Überraschung, verdoppelten sie ihre Größe nahezu.

                    http://i16.photobucket.com/albums/b5...9/PICT2204.jpg

                    http://i16.photobucket.com/albums/b5...9/PICT2295.jpg

                    Freundliche Grüße,

                    Stefan
                    Zuletzt geändert von Stefan; 26.03.2006, 00:47.

                    Kommentar


                    • #11
                      Hallo Stefan,


                      Wow,echt interessante Bilder.
                      Meine Einstellung zu den Spinnen beruht einfach nur auf reine Vorsicht.Wenn man mit dem schlimmsten rechnet kann nichts außer Kontrolle geraten,das ist meine Meinung.Und wenn man halt "nur" einen Tarantel hält wie ich ,ist das schlimmste ein stechender Schmerz.Ein bisschen doller siehts da bei meinem Skolopender aus aber selbst ein bis Biss von dem ist größtenteil "nur" mit (großen) Schmerzen verbunden.
                      Gifttiere wie die Phoneutria allerdings haben derartig schwere Folgen dass ich nicht dran denken möchte.Dann lieber ein Biss von einer etwas weniger giftigen Buthusart in Kauf nehmen.
                      Um nochmal über den Preis der spinne zu sprechen: Meintest du damit die sind teuer? Ich könnte mir sofort eine Phoneutria für den Preis eines adulten Skorpions besorgen. Das soll nicht das Problem sein.


                      Mfg Christian

                      Kommentar


                      • #12
                        Hallo zusammen,

                        sorry für die Sendepause, war beruflich etwas "eingespannt".

                        Die "Kleinen", die hier im Thread portraitiert wurden, leben glücklicherweise noch, nur "klein" sind sie nicht mehr wirklich, dazu jedoch später mehr.

                        Das die Tiere noch am Leben sind, nehme ich nicht für sooo selbstverständlich, da ich zwischenzeitlich Kontakt zu anderen Haltern dieser Art hatte, deren Tiere schon größer sind, als meine. Anscheinend bewahrheitet auch diese Art wieder die "alte Weisheit", dass Phoneutria nicht so einfach aufzuziehen sind.
                        Auch wenn ich hier momentan gänzlich andere Erfahrungen mache, meine sind nämlich ähnlich heikel wie z. B. Cupiennius salei...
                        Ab einer gewissen Größe jedoch, sollen Häutungsschwierigkeiten auftreten, die teilweise fatale Konsequenzen nach sich ziehen. Eine genaue Ursache dafür, ist wohl momentan noch nicht wirklich ersichtlich, somit ists auch schwierig, dass ganze "abzustellen".
                        Meine Exemplare sind sehr gut angewachsen, die nächste Häutung könnte da "kritisch" werden. Ich lass mich mal überraschen, was bleibt auch anderes übrig...

                        Die Kerlchen haben sich seit meinem letzten Post ganze zwei mal gehäutet. Vergleiche ich das mit der Größe, die sie hatten, als ich sie bekam, so haben sie ihre Körpergröße seitdem schlicht verdreifacht. Ein Wachstum, dass auch bei Phoneutria´s nicht unbedingt alltäglich ist. Seit der vorletzten Häutung habe ich eine ungewöhnliche Dicke-Zunahme der Beine festgestellt, die ich so ebenfalls bei noch keiner anderen Art gesehen habe. Bleibt abzuwarten, was das zu bedeuten hat.

                        Das bemerkenswerteste in meinen Augen ist jedoch das Temperament der Spinnen: die sind total friedlich! Zeichnete sich das bereits von Beginn an ab, so hat es mittlerweile schon regelrecht bizarre Ausmaße angenommen, die benehmen sich eher wie Cupiennius.
                        Um mal ein Beispiel für solch eigenartige Friedfertigkeit aufzuzeigen: meine P. nigriventer Slings machen aktuell gerade mal die Hälfte der Größe der P. fera´s. Bei denen kommt es mit schöner Regelmäßigkeit vor, dass ich angedroht werde, wenn ich mich nur deren Becken nähere. Ich nehms nicht persönlich und halte ein solch defensives Verhalten für Phoneutria eben auch für recht "normal".
                        Mit den P. fera´s ist das ein gänzlich anderer Umgang: hantieren an, ja selbst im Becken, interessiert die überhaupt nicht. Soweit so seltsam. Manipuliert man die Spinnen, bspw. durch leises Anticken mit einem Draht o.ä., reagieren sie recht gemütlich. Gedroht wird gar nicht, lediglich der Draht wird kurz mit den Vorderbeinen untersucht und offenkundig als "uninteressant" eingestuft. Das Tier drehte sich danach sehr behäbig um und ging schlicht in die andere Richtung...
                        Bei den P. nigriventer wird der Draht gelegentlich schon attackiert, bevor er auch nur ansatzweise in die Nähe der Spinnen kommt...

                        Alles in allem bislang also sehr dankbare Pfleglinge, sehr leicht in der Versorgung, absolut friedfertig und sehr hübsch gezeichnet. Zudem kommen bei mir so langsam Hoffnungen auf, dass die Tiere tatsächlich mal die Endgrößen erreichen, die mir "angedroht" wurden, das aktuelle Wachstum lässt da noch ein bißchen "Potential" erkennen. Sollten jetzt die Aufzuchtversuche noch erfolgreich zu Ende verlaufen, steht einer Zucht eigentlich nichts mehr im Weg.

                        So sahen die Kerle nach der 2. Häutung in meiner Pflege aus:

                        Klick mich

                        Und so sehen sie aktuell, nach ihrer 3. Häutung in meiner Pflege aus:
                        Klick mich
                        Klick mich
                        Klick mich


                        Grüße,

                        Stefan

                        EDIT: Stefan, ich habe mal die Bilder in Links umgewandelt... Gruß- Gregor
                        Zuletzt geändert von Yidaki; 23.05.2006, 10:09.

                        Kommentar


                        • #13
                          Hallo zusammen,

                          sorry, für obiges OT.

                          Zurück zum Thema: wie oben schon erwähnt, gab es eine weitere Häutung bei mir. Zu meiner Freude, entpuppten sich beide meiner Exemplare als junge Männchen. Die Färbungen sind weitgehend erhalten geblieben, es sind jetzt auch klare Anzeichen von Bulben zu sehen.

                          Die Tiere haben erneut einen sehr ordentlichen Wachstumsschub absolviert: aktuell machen die Kerle 3,5cm Körper und ca. 10-12cm Spannweite, also schon recht ordentlich. Das für mich persönlich erfreulichste an der letzten Häutung, ist zum einen, dass es beide Exemplare problemlos geschafft haben, da waren mir von anderen Haltern Schwierigkeiten berichtet worden. Zum anderen ist sicherlich auch schlicht die erreichte Größe für mich eine sehr angenehme Überraschung: die Tiere sind nun unter allen objektiven Gesichtspunkten nicht mehr "klein" und werden mindestens noch eine weitere Häutung machen.

                          Rätsel gibt mir nach wie vor das Verhalten dieser Art auf: die Tiere benehmen sich nach wie vor ausgesucht friedlich, es drängen sich mir Parallelen zu Cupiennius auf. Selbst direkte Berührungen der Tiere rufen kein defensives Verhalten hervor.

                          Interessanterweise scheint dies nicht so selbstverständlich zu sein: andere Halter berichteten mir, dass ihre Weibchen zwar sehr ruhig seien, die Männchen aber deutlich aggressiver auftreten würden.
                          In Ermangelung eines Weibchens, kann ich diesen Vergleich nicht nachvollziehen, ich kann mir aber schwerlich vorstellen, dass sich die Weiber noch friedlicher benehmen können, als es meine beiden Kerle hier tun.

                          Dieses friedliche Verhalten scheint nicht darauf zu beruhen, dass es sich um NZ handelt. In einem internationalen Forum, kam ich mit einem britischen TV - Journalisten in Kontakt, der diese Art in ihrem natürlichen Lebensraum beobachten und filmen konnte. Er berichtete, dass auch die freilebenden Weibchen sehr ruhig und friedlich waren. Selbst auf direkte Berührungen erfolgten nur kurze Drohgebärden, Angriffsversuche blieben komplett aus.

                          Die Männchen dieser Art erlebte auch der bewusste Journalist als deutlich defensiver, nach seinen Aussagen, drohten die Männchen, wenn man sich zu dicht annäherte.

                          Sehr zu meinem Interesse, konnte er auch Fotos von adulten Exemplaren im natürlichen Lebensraum beisteuern. Ancheinend behalten die Tiere die rosa-lila Färbung auch als Adulti. Nach seinen Angaben, hatten die Adulti Körperlängen von ca. 5cm und Spannweiten von ca. 15cm. Diese Angaben halte ich nach dem hier beobachteten Wachstum für durchaus realistisch.

                          Abschließend stellt sich mir persönlich mehr und mehr die Frage, inwieweit die generelle Aussage, dass Phoneutria als "aggressiv einzustufen" seien, überhaupt noch tragbar ist. Neben der hier portraitierten Art, kam vor kurzem auch noch ein weiteres Exemplar dieser Gattung bei mir an. Ein WF, weist die für P. nigriventer "typische" Zeichnung und Färbung auf, lässt andererseits aber widerum gewisse charakteristische Zeichnungsmuster vermissen....
                          Das für mich persönlich mit Abstand Erstaunlichste an diesem speziellen Exemplar ist jedoch doch Temperament: absolut ruhig. Auch bei diesem Tier: selbst auf direkte Berührungen erfolgt kein Drohen o.ä.

                          Persönlich würde mich sehr interessieren, ob dies schlicht ein Grund sein könnte, warum Phoneutria Bisse in gewissen südamerikanischen Ländern, in denen die Tiere verbreitet sind, so gut wie nie erwähnt werden: die Tiere dort sind schlicht friedlicher, als bspw. in Sao Paolo, Brasilien.

                          Überlegt man sich die infrastrukturellen Rahmenbedingungen, könnte dies ein interessanter Ansatz sein: in Sao Paolo, einem Hauptverbreitungsgebiet von P. nigriventer, kommen die Tiere natürlich sehr häufig mit Menschen in Berührung. Dies bedeutet zum einen, dass die Tiere zwangsläufig regelmäßig mit Menschen in Kontakt kommen, könnte zum anderen aber auch darauf hindeuten, dass gerade Exemplare aus dieser geografischen Ecke eine gegenüber Menchen verringerte Hemmschwelle haben. Sie hätten es ja quasi mit einem "bekannten" Organismus zu tun. In anderen Ländern, in denen die Tiere weitgehend noch in einem unberührten Habitat leben, sind Begegnungen mit Menschen eher selten, da würde es nicht wundern, dass die Tiere eher "gelassen" reagieren.
                          Ein weiterer und vielleicht auch der entscheidenste Punkt, dürfte schlicht das jeweilige Habitat sein: in der Stadt, wo die Tiere ständig von Menschen umgeben sind, sind die Rückzugsmöglichkeiten im Konfrontationsfall natürlich limitierter, als im Regenwald-Habitat.

                          Ein Indikator mehr dafür, dass bei all den Fakten, die über diese Gattung bekannt sind, noch vieles im Dunkel liegt.

                          Als eine generelle "Entwarnung" will ich obige Absätze auf keinen Fall verstanden wissen, ändert doch auch ein noch so friedliches Naturell nichts an der Unberechenbarkeit der Tiere, der Agilität und der möglichen Toxin-Potenz.

                          Als Kontrapunkt zu dem "bekannten Wissen: Phoneutria sind alle aggressiv", sind die letztlichen Beobachtungen allerdings recht interessant.

                          Genug der trockenen Materie, ein Bild sagt mehr, als 1000 Worte....

                          (@ Gregor: kein Problem, wegen der Bildumwandlung, ich stell die Dinger mal direkt als html-Link ein ;-)

                          K L I CK M I C H

                          K L I C K M I C H A U C H

                          U N D M I C H

                          U N D M I C H A U C H N O C H

                          Bis zur nächsten Häutung, freundliche Grüße,

                          Stefan
                          Zuletzt geändert von Stefan2209; 09.07.2006, 15:59.

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                          • #14
                            hab da auch ein sehr schönes exemplar

                            hallöle
                            bin neu hier hab da auch ein schönes Bild

                            habe das Tier schon so bekommen und hab keine Ahnung. Habe mich zwar etwas, was
                            die haltung angeht, erkundigt aber mich würde noch interessieren wie es mit der Häutung aussieht?
                            Häuten die sich wie normale Vogelspinnen ??

                            Gruss flo
                            Angehängte Dateien
                            Zuletzt geändert von Stefan; 12.01.2007, 10:41. Grund: Groß- und Kleinschreibung/Schreibstil

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                            • #15
                              Hallo zusammen,

                              Zeit, dieses Thema einmal mehr aufzuwärmen, aus gleich mehreren Anlässen:

                              Leider muss ich selbst eine meiner Aussagen korrigieren, der provisorische Name, der hier noch für die portraitierte Phoneutria Art benutzt wurde und im bisherigen Threadverlauf benutzt wird, ist so gut gemeint, wie er auch falsch ist.
                              Die Tiere wurden zwischenzeitlich von einem taxonomisch talentierten deutschen Hobbykollegen zweifelsfrei als Phoneutria reidyi identifiziert.

                              Die Mis - Identifikation als P. fera mag verzeihlich sein, wenn man im Kopf behält, dass in der letzten Gattungsrevision beide Arten als enorm groß werdend beschrieben wurden und der Mensch, als Gewohnheitstier, doch gerne dazu neigt, Assoziationen zu Dingen herzustellen, die ihm bekannt sind.

                              Eine Aussage meinerseits, nämlich der Threadtitel, hat sich nach meinem Verständnis leider extrem bewahrheitet, wenn auch primär im globalen und vor allem wissenschaftlichen Kontext. Die nicht Fortführung dieses Themas beruhte weder auf einem Interessenverlust meinerseits, noch auf einem Bissunfall (grins), sondern schlicht auf Arbeitsauslastung meinerseits, andere Projekte waren vordringlicher.

                              Darunter u.a. auch ein Aufenthalt im peruanischen Amazonasbecken und die Arbeit an meiner ersten wissenschaftlichen Pubklikation als Ko - Author zu dieser Thematik.
                              Beides war, logischerweise, enorm zeitaufwändig, hat sich für mich aber bezahlt gemacht durch neue Erkenntnisse, Gute, wie Schlechte.

                              Als positiv sei erwähnt, und ich möchte vorab noch einmal erwähnen, dass folgendes bitte keinesfalls als Verharmlosung aufzufassen ist, dass Phoneutria im natürlichen Lebensraum eine deutlich untergeordnetere Rolle als "signifikant giftige Spinnen" spielen, als man hier, in Europa, teilweise glauben mag.
                              Tatsächlich waren in dem Gebiet, in dem ich mich in Peru aufgehalten habe, drei Phoneutria Arten gelistet, Unfälle waren trotzdem (nahezu) unbekannt. Abseits der Ballungsräume in Brasilien (Sao Paolo...), spielt die Gattung in gesamt Südamerika anscheinend eine deutlich geringere Rolle als humanpathogene Spezies, als früher behauptet.
                              Aktuell ist dort primär Loxosceles ssp. von Bedeutung.

                              Durch Kontakt zu entsprechenden "Pro´s", die direkt in den Herkunftsländern arbeiten, wurde mir ferner eröffnet, dass über die allgemeine (Entwicklungs-) Biologie mehr unbekannt ist, als das Gegenteil behauptet werden kann.

                              Weltweit stellt die Identifikation von selektierten Arten häufig auch gestandene Biologen vor schlicht unüberbrückbare Schwierigkeiten. Anläufe meinerseits, "sicher identifizierte" Funde hier in Europa zu verifizieren, erbrachten erschreckende Resultate. Häufig war nicht einmal die Gattung sicher identifiziert worden, der unverhoffte und somit erschreckende Anblick einer "großen" Spinne, die aus einem importierten Bananenkarton krabbelte, reichte schon aus um die "Identifikation von Phoneutria fera" zu rechtfertigen...

                              Doch lassen wir das, abstraktes Zeug, dass für die Mehrheit der geneigten Leserschaft ohne reelen Praxisbezug sein dürfte.

                              Mal etwas Realitäts - näher:

                              Was ist übrig geblieben?

                              Die "P. fera ex Oyapok", alias P. reidyi´s

                              Haben sich, sofern man geneigt ist im Kontext dieser Gattung von "Haustieren" zu sprechen, ein wenig etabliert und, vor allem, bewährt. Die Art ist tatsächlich, generell betrachtet, deutlich friedfertiger, als dies von P. nigriventer und P. fera behauptet werden kann.
                              Auch die Aufzucht macht in der Regel wenig Probleme, genau wie die Nachzucht, mittlerweile wurden die von T. Vinmann 2005 aus Franz. - Guyana importierten Tiere von mehreren Züchtern vermehrt, die Zukunft, auf die kommenden zwei Jahre betrachtet, sollte zumindest halbwegs gesichert sein.

                              Aus Peru lag mir ein Wildfang Weibchen vor, dass mir ebenfalls NZ schenkte, somit habe ich zwei Blutlinien verfügbar, was die Chancen ferner verbessern sollte.

                              P. reidyi dürfte die bislang wohl best geeignete Phoneutria Art zur Haltung im Terrarium sein, vergleichsweise pflegeleicht, nicht so offensiv wie andere Arten der Gattung, überaus attraktiv gefärbt und die Art kann erhebliche Größen erreichen (>5cm Körper, > 15cm Spannweite).
                              Auch wenn chemische Vergleichsanalysen darauf hindeuten, dass P. reidyi u.U. nicht so giftig ist, wie P. nigriventer, muss zwangsläufig die entsprechende Erfahrung zur Haltung voraus gesetzt werden und die nötige Vorsicht im Umgang muss stets beachtet werden.

                              Phoneutria boliviensis

                              Wurde ebenfalls im vergangenen Jahr importiert und vermehrt.
                              Eine kleinere Art (3cm Körper, ca. 10cm Spannweite), die ebenfalls vergleichsweise friedlich ist. Im natürlichen Lebensraum war es mir möglich, ein Jungtier dieser Art mit der bloßen Hand zu fangen.
                              Die Art ist erwiesenermaßen nicht in der Lage, einem Menschen eine lebensbedrohliche Vergiftung zu zufügen (unpubliziert), Bisse sind jedoch extrem schmerzhaft und der Schmerz hält ca. 24h an. Auf die leichte Schulter zu nehmen, ist also auch diese Art nicht!

                              Adulte Exemplare sind problemlos zu halten und auch zu vermehren. Die Paarung läuft recht friedlich ab, die Böcke bleiben häufig am Leben.

                              Problematisch muss aktuell noch die Aufzucht von NZ bewertet werden, hier stellten sich leider nahezu komplette Ausfälle ein.
                              Dies dürfte primär auf mangelnde Erfahrungswerte mit Jungtieren dieser Art begründet werden, als mit einer "Unmöglichkeit" (wurde früher bspw. P. nigriventer nachgesagt) der Aufzucht.
                              Weitere "Bastelarbeiten" tun Not... Ob diese aus den aktuell noch vorhandenen Restbeständen betrieben werden können oder ob neue Importe erforderlich sein werden, wird die Zeit zeigen müssen.

                              Phoneutria nigriventer

                              Möchte ich hier nur ganz kurz thematisieren, da diese Art alles andere als ein geeignetes Haustier darstellt und in "normalen Halterhänden" nichts zu suchen hat. Hier sollte reelles, ernsthaftes Interesse gegeben sein.

                              Aktuell sind noch zwei Varianten verfügbar, die brasilianische Form, sowie eine dunklere Morphe aus Paraguay.

                              So ungeeignet die Tiere für den durchschnittlichen Terrarianer als Haustier sind, so hochinteressant sind beide Varianten im direkten Vergleich unter wissenschaftlicher Betrachtungsweise, lassen sich, neben vielen Analogien, doch auch gravierende Differenzen feststellen. Dies dürfte nicht zuletzt auf der (für mein Dafürhalten begründeten) Synonymisierung von P. keyserlingi mit P. nigriventer basiert sein.

                              Für den interessierten und arbeitswilligen Halter bieten sich hier exzellente Möglichkeiten, Feldforschung live zu betreiben.

                              ALLEN ANDEREN, sei eindringlich geraten die Finger von dieser Art zu lassen. Die Tiere sind definitiv hochgradig toxisch und unberechenbar.

                              Phoneutria fera

                              Aktuell ein "Geist", der in Europa nicht öffentlich verfügbar ist, das ein oder andere Exemplar mag vorhanden sein, wird jedoch kaum öffentlich bekannt gegeben. Angebote, die diese Tiere gelegentlich thematisieren, haben sich ALLE als Fälschungen, bzw. Betrugsversuch erwiesen.

                              Es mag ferner darauf hingewiesen werden, dass diese Art vom optischen Erscheinungsbild her enorm variabel ist, die erst kürzlich aus Para beschriebene Variante mag dies transparent für Jedermann verdeutlichen.

                              Als Haustier sind diese Spinnen ebenfalls schlecht geeignet, da P. fera sich in der Vergangenheit als enorm offensiv erwiesen hat.

                              Die Toxinität ist nicht verifizierbar, die Möglichkeit, dass diese Art eine ähnliche Potenz mit sich trägt, wie P. nigriventer, kann aktuell aber auch nicht ausgeschlossen werden.

                              Aufgrund des Verbreitungsgebietes, sowie auch der übrigen Attribute und nicht zuletzt des Marktinteresses, darf es getrost als unwahrscheinlich angesehen werden, dass diese Art zeitnah flächendeckend und öffentlich verfügbar werden wird.

                              Phoneutria bahiensis

                              Stellt wohl eher einen Mythos, als eine aus trivialen Quellen verifizierbare Art dar.

                              Verbreitet lediglich im brasiliansischen Staat Bahia, existiert weltweit nicht ein einziges, frei verfügbares Foto, dass mit Sicherheit ein Tier dieser Art zeigt.

                              Zur Giftigkeit, wie auch zum Verhalten, ist nichts bekannt, dokumentierte Bissunfälle existieren anscheinend ebenfalls nicht.

                              Aufgrund der Gesetzeslage in Brasilien und auch der schon o.a. Faktoren, dürfte es extrem unwahrscheinlich sein, dass diese Art in absehbarer Zeit in Europa verfügbar wird (und dann auch noch als diese erkannt wird).

                              Freundliche Grüße,

                              Stefan

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