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Artbegriff - Sendung über Museum Alexander Koenig

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  • #16
    Re: Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

    Hallo Wulf,

    du schreibst:

    Jedoch wird in neuerer Zeit auf das Hilfmittel Genetik, sprich DNA Analyse zurückgegriffen, da sie vielleicht die "objektivste" Form ist.

    Ich denke dies ist ein Irrglaube, dem allerdings viele erliegen.
    Die Molekulargenetik ist unter vielen nur eine Arbeitsmethode der Phylogenetik, die genauso subjektiv ist wie jede andere auch.
    Bei den diversen Anaylseprogramme gibt es ehr selten "den" Stammbaum. In der regel spuckt die Maschine auch mal mehrere aus und welchen nimmt man dann? Den der am objektivsten ist oder den der am ehesten den Erwartungen entspricht oder sind vielleicht mal zwei unterschiedliche gleich gewertet?
    Oder nimmt man KernDNA oder doch nur die der Mitochondrien? Nur so nebenbei: Ab nächstem Jahr veröffentlichen viele der einschlägigen Molekularsystematischen Zeitschriften nur noch Arbeiten die mit KernDNA arbeiten weil die Ergebnisse der mitochondrialen DNA die Stammbäume teilweise stark verfälschen.

    So objektiv wie alle glauben ist die Molekuargenatik also nicht und der Boom der darum gerade gemacht wird, der verebbt auch und dann kommt die zeit für diejenigen die alle Methoden miteinander kombinieren.

    Philipp Wagner

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    • #17
      Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

      ES ist ganz einfach - dort wo Kreuzungen fruchtbare Nachkommen ergeben, war es eben keine Kreuzung - Männchen und Weibchen waren
      von der gleichen Art. Nur haben viele Mühe
      dies anzuerkennen. Dies gilt für Malawi-Buntbarsche ebenso wie für Schildkröten.
      Ist natürlich meine ganz persönliche Meinung,
      die aber zunehmend auch von renommierten Zoologen geteilt wird. Man wagt aber nicht es laut zu sagen, da man gewissen Wissenschaftlern dann die Ehre neue Arten entdeckt zu haben, entzieht. Äussere Merkmale können schwer täuschen, denken wir doch an den Hund - trotz der riesigen Unterschiede der Rassen haben wir es immer mit dem gleichen Wesen - Canis familiaris -
      respektive Canis lupus familiaris - einer Zuchtform des Wolfes - zu tun. (Hunde kreuzen sich fruchtbar mit Wölfen).

      Kommentar


      • #18
        Re: Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

        Naja und das ist meine persönliche Meinung,
        ist das kreuzen zweier Individuen eben auch subjektiv.
        Im Terrarium oder im Stall werden ganz leicht individuelle Artbarrieren überschritten, aus Stress der enge des Raumes und der nicht-Verfügbarkeit eines adäquaten Partners.
        Als Beispiel zwei Gecko Arten die im freiland isoliert auf ein und demselben Baum lebten und beim suchen kein einzige Bastard gefunden wurde. Dies änderte sich in der Haltung.
        Ähnliche Beispiele gibt es genug. Die Wissenschaft weiss einfach noch viel zu wenig über die Artbarrieren die im Freiland herrschen um relativ pauschal sagen zu können, alles was wir kreuzen können ist eine Art.
        Dafür sind die Artgefüge viel zu kompliziert....

        Philipp Wagner

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        • #19
          Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

          Hallo Phillip,

          Du schreibst:
          Ich denke dies ist ein Irrglaube, dem allerdings viele erliegen.
          Ja, deshalb auch in Anführungszeichen, weil die Genetik halt doch nicht so der Weißheit letzer Schluß ist. Mir scheint aber auch immer wieder die Einstellung "Gene lügen nicht..." zu begegnen, denn unterhält man sich mit dem ein oder anderen Amerikaner, dann ist halt eine Gen- (ob Kern oder mitochondriale) Analyse das "Allheilmittel".

          Tja, für die Auswahl des richtigen Baums gibt es dann doch auch wieder so nette Möglichkeiten, wie Bootstrap-Verfahren und die "sparsamste Erklärung" :-D (Parsimonie). Ob jedoch die Abstammung einer Art von Ihrer Ursprungsart tatsächlich immer mit den wenigsten Evolutionsschritten erklärt werden kann, vermag ich leider nicht zu beantworten...Das müssen wohl die "Cladaisten" für sich entscheiden. Aber was würden die wohl ohne Computer machen? Blähen einen Merkmalssatz solange auf bis er fast platzt und suchen sich dann die "sparsamste Lösung" heraus (bitte nicht so ernst nehmen!).
          Hoffen wir, dass dieser Boom sich bald etwas einebnen wird.

          @Daniel

          Du schreibst:
          Es ist ganz einfach - dort wo Kreuzungen fruchtbare Nachkommen ergeben, war es eben keine Kreuzung - Männchen und Weibchen waren von der gleichen Art.
          Hmm, interessanter Ansatz. Gerade die Kunstprodukte unter den Schlangen "Carpchondro => Morelia spilota cheynei X Morelia viridis; Liasis mackloti mackloti X Morelia spilota variegata usw... zeigen, dass es unter Laborbedingungen(!) auch anders geht. Es entstehen also durchaus auch Hybride zweier ansich völlig unterschiedlicher Arten. Sind sie deshalb nun eine Art? Würde das der Natur gerecht werden? Sicherlich, diese ganzen Konzepte und unserer Einteilungen sind eigentlich eine rein formale Angelegenheit der Klassifikation, aber dennoch erscheint mir Dein Ansatz etwas gewagt zu sein ;-)
          Ich denke auch, dass wenn man auf Grundlage dieser Einstellung etwas in einem peer-reviewed journal publizieren wollte, mindestens einer der Editoren gewaltigen Einspruch einlegen würde, oder?

          Viele Grüße,
          Wulf


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          • #20
            Re: Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

            Hi Wulf,


            "denn unterhält man sich mit dem ein oder anderen Amerikaner, dann ist halt eine Gen- (ob Kern oder mitochondriale) Analyse das "Allheilmittel"."

            Naja ich gebe zu mit Amerikanern umgehe ich solche Gespräche immer, weil sie ja immer wenn etwas modern ist das alte sofort als unmordern und out vergessen.
            Was sie nur nicht beachten ist:
            Was untersucht man denn bei mitochondriler DNA die Phylogenie der Art oder der Mitochondrien?

            Wie teilweise die neuen Arbeiten zeigen eine berechtigte Frage....

            Philipp Wagner

            Kommentar


            • #21
              Re: Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

              daniel.hofer@span.ch schrieb:
              ES ist ganz einfach - dort wo Kreuzungen fruchtbare Nachkommen ergeben, war es eben keine Kreuzung - Männchen und Weibchen waren
              von der gleichen Art. Nur haben viele Mühe
              dies anzuerkennen. Dies gilt für Malawi-Buntbarsche ebenso wie für Schildkröten.
              Ist natürlich meine ganz persönliche Meinung,
              die aber zunehmend auch von renommierten Zoologen geteilt wird. Man wagt aber nicht es laut zu sagen, da man gewissen Wissenschaftlern dann die Ehre neue Arten entdeckt zu haben, entzieht. Äussere Merkmale können schwer täuschen, denken wir doch an den Hund - trotz der riesigen Unterschiede der Rassen haben wir es immer mit dem gleichen Wesen - Canis familiaris -
              respektive Canis lupus familiaris - einer Zuchtform des Wolfes - zu tun. (Hunde kreuzen sich fruchtbar mit Wölfen).
              Hm, von der gleichen Art, dann solltest du dir mal Cuora, Mauremys, Chinemys, Ocadia, Heosemys, Cyclemys... anschauen, da ist praktisch jede Kreuzung möglich, und ich denke schon das man z.B. eine Cuora trifasciata, die eindeutige morphologische Merkmale (Scharniere, Panzeraufbau, Schädelaufbau usw.) sowie genetisch von Mauremys mutica doch deutlich unterscheidbar ist, mit dieser aber jedoch sowohl in freier Wildbahn als auch in Gefangenschaft hybridisieren kann -> Mauremys iversoni, wobei dieser Mauremys iversoni auch schon nachgezüchtet wurden.... (nur mal ein beispiel von mittlerweile über 30 bekannten Hybridformen aus Südostasien) Gerade bei den asiatischen Geoemydidae trifft deine Meinung nicht zu, das Puzzle dort ist noch ein bisschen komplizierter und komplexer (auch auf DNA Level sind da noch sehr grosse Schwierigkeiten und Fragen). Man kann übrigens auch eine Testudo hermanni mit einer Testudo marginata kreuzen (passiert allerdings nur in Gefangenschaft, wenn Jungtiere aufeinander geprägt werden) die auch fortpflanzungsfähig sein können, aber das es sich um 2 unterschiedliche Arten, allerdings um eine Gattung handelt ist ersichtlich.

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              • #22
                Re: Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

                Hallo Wulf,

                dann versstehe ich den Satz nicht:
                "Bei den Amerikanern scheint zumindest nur noch die Phylogenetik eine Rolle zu spielen (wenn ich mir die Publikationen der letzten Jahre so anschaue)."
                Meintest du denn "Genetik"? Phylogenetik kann man ja auch mit den "altmodischen" Methoden untersuchen.

                Wulf Schleip schrieb:
                Du fragst
                läßt du dich von der "genetik" in "Phylogenetik" irritieren? Das ist lediglich die Stammesgeschichte, ob an morphologischen oder molekulargenetischen Merkmalen festgemacht, ist dabei sekundär.
                Nein Arndt, vielleicht habe ich mich in den vorherigen Postings unklar ausgedrückt?!
                Nö, sonst eher nicht

                @Philipp:
                Zitat Arnd: "Und: jeder Zeitpunkt (z.B. "Heute") zeigt einen horizontalen Schnitt durch Stammbäume. Dort, wo Arten gerade dabei sind sich neu zu trennen, gibt es Grauzonen, in der die Art prinzipiell nicht eindeutig definierbar ist, und wo es dementsprechend verschiedene Auffassungen der Wissenschaftler gibt."
                Und auch hier kann die Genetik helfen um Rückschlüsse auf die Entwicklung der Arten treffen zu können, um eben nicht nur den horizontalen Schnitt zu haben.
                Das sehe ich anders: Mein Beispiel bezog sich auf eine Art, die JETZT dabei ist aufzuspalten (oder auch nicht). Das kann man nicht vorhersagen und die Kenntnis der bisherigen Entwicklung hilft da nicht weiter. Ob Faktoren, die die Aufspaltung bremsen oder verhindern (erhöhter Genfluß zwischen Teilpopulationen) oder solche, die die Abspaltung fördern (Selektionsdrücke in unterschiedliche Richtung, verschiedene Ressourcen, Aussterben von verbindenden Teilpopulationen) stärker sind, kann man aus der Historie nicht vorhersgan.

                Gruß
                Arnd

                [Editiert von Arnd am 08-12-2003 um 21:08 GMT]
                Derzeit: Lampropeltis, Rhadinophis und Elaphe

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                • #23
                  Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

                  Zitat:
                  > Oder nimmt man KernDNA oder doch nur die der Mitochondrien? Nur so nebenbei: Ab nächstem Jahr veröffentlichen viele der einschlägigen Molekularsystematischen Zeitschriften nur noch Arbeiten die mit KernDNA arbeiten weil die Ergebnisse der mitochondrialen DNA die Stammbäume teilweise stark verfälschen.

                  Welche Zeitschriften sollen das denn sein? Wo kommt diese Information her? Obwohl KernDNA in der Systematik immer wichtiger wird kann ich mir kaum vorstellen, wie so etwas z.Zt. ueberhaupt durchsetzbar sein koennte.

                  Es stimmt, das die Phylogenie der mitochondrialen DNA nicht die des Organismus sein muss. Es stimmt uach, dass mtDNA alleine nicht ausreicht, die Frage vom Artstatus zu klaeren, vor allem, wenn parapatrische Populationen beteiligt sind.

                  Andererseits ist es trotzdem auch so, dass die mitochondriale DNA auf Grund ihrer geringeren effektiven Populationsgroesse wesentlich wahrscheinlicher die wirkliche Phylogenie widerspiegelt als jegliches einzelne KernDNA Gen.

                  Zweitens besteht auch heute noch die Problematik, dass es auf niedrigerer taxonomischer Ebene (innerhalb einer Art oder Gattung) immer noch kaum KernDNA-Gene gibt, deren Mutationsrate hoch genug ist, um auf diesem Niveau aussagekraeftig zu sein. Dann einfach mehrere Kern-Sequenzen zu nehmen geht auch nicht ohne weiteres, da verschiedene Kerngene ja auch durchaus verschiedene Phylogenien habe koennen. Dagegen werden alle mitochondrialen Gene als eine einzige Einheit vererbt, wodurch man durch in Sequenzieren mehrerer Gene dann die Phylogenie (des mtDNA-Molekuels) auch bei sehr geringen Sequenzunterschieden durchaus robust herausfinden kann.

                  Gruss,

                  Wolfgang

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                  • #24
                    Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

                    Eine herrliche Diskussion. Dieses Thema kommt immer wieder zur Sprache und sobald mehr als zwei Biologen dran teilnehmen, nimmt die Diskussion unter Garantie immer genau den Verlauf, wie hier und heute.
                    An sich schon ein interessantes Phänomen.

                    Auch ich kann es nicht lassen, meinen Senf dazu zu geben.
                    Gerade diese Diskussionen zeigen m.E. sehr schön, daß der Artbegriff in der Taxonomie etwas artifizielles ist, das dem Wissenschaftler helfen soll, die Vielfalt der Natur zu ordnen und zu verstehen, aber nie mehr als Modellcharakter haben kann und mitnichten eine "natürliche Ordnung" widerspiegelt.

                    Scheinbar vergessen das manche Leute gerne- leider auch Wissenschaftler- und neigen zu der "Ich hab recht und Du nicht" Ansicht, weil sie (mit den Scheuklappen ihrer Modelle vor Augen) massenhaft Beispiele in der Natur finden, auf die Ihr Modell wunderbar passt.

                    Genauso, wie die Einteilung in schönes und schlechtes Wetter durchaus in den meisten Fällen als eindeutig empfunden, aber auch in vielen vielen Fällen überaus kontrovers empfunden wird, ist es eben mit dem Artbegriff.
                    Wenn ich es schön finde, fällt es mir schwer, nachzuvollziehen, daß jemand anders das gleiche Wetter als grauenvoll empfindet und über Mischwetter kann man bekanntlich lange diskutieren.
                    Das Wetter oder die betroffenen Lebewesen stört das wenig. Beide befleissigen sich weiterhin aller Übergangsformen zwischen den Kategorien, in die sie der denkende Mensch pressen will (muß?)

                    Wie alle Modelle natürlicher Gegebeneheiten unterliegt auch der Artbegriff ständigen Nachbesserungen und Modifikationen, von denen in der Regel bei jeder einzelnen umstritten ist, ob sie das Modell verbessert oder nicht.

                    Und wie bei fast allen Modellen paßt nicht jede Auslegung zu jeder natürlichen Situation. BSC ist schön und gut, dem Laien verständlich und vielfältig anwendbar.
                    Aber Parthenogenese, Gynogenese, Inselpopulationen jeder Art, zeitliche Isolierung (bei den berühmten Zikaden mit 17 jährigem Entwicklungszyklus gibt es zwischen etlichen Generationen aufgrund der zeitlichen Isolation NIE Paarungen und Vermischungen) und die seltsame Tatsache, daß auch optisch sehr verschiedene Arten, bei denen Konsens über eine sehr lose Verwandtschaft herrscht, fertile Nachkommen haben können (man verfolge mal die Geschichte der Farbzüchtungen des Hauskanaris...auch sind mir Berichte über fertile Nachkommen von Weißbauchpapageien und Aras zu Ohren gekommen....und man denke an die genannten Cichliden und Schildkröten) stellen da den menschlichen Ordner doch oft vor ein Dilemma.
                    Und wie ist es mit den verschiedenen Nachtaffen, die morphologisch praktisch nicht unterscheidbar, sexuell aber völlig inkompatibel sind?
                    Und wie sieht es mit Bakterien aus?
                    Und wie sieht es gar mit den über 2 Geschlechter weit hinausgehenden Paarungstypen mancher Pilze und Pflanzen aus?
                    Und wer grantiert, daß es NICHT zu Austausch von genetischem Material zwischen Lebewesenklassen oder gar Stämmen oder Reichen über zB Viren kommt?
                    Und...und...und..und
                    Ich bin gerne bereit, für jede einzelne angewandte Artdefinition Beispiele zu bringen, auf die sie nicht anwendbar ist
                    Warum sich also die Köpfe einstoßen, wo doch letzlich keiner recht hat? Der eine mal hier mehr, dafür der andere mal dort.
                    Und wir diskutieren über Manifestationen von Evolution, ohne dem Verständnis des Evolutionsprozesees an sich wirklich nahe gekommen zu sein. Muß da nicht jedes Artmodell zwangsweise ein hohes Maß an Inkompetenz tragen?

                    Aber auch ich ordne natürlich gerne (auch, wenn meine Frau da anderer Meinung ist) und denke über den Begriff "Art" nach..
                    Meine derzeitige -weil derzeit machbar- Lieblingsvorstellung von einem Modell für den Artbegriff ist eine flexible Integration aus ethologisch/ökologisch/geographischen Parametern (ganz klassisch also: Begegnen sich die Lebewesen in Freiheit, wenn ja, haben sie dann Nachkommen), Morphologisch/Metabolischen Studien (auf welcher Komplexitätsebene gibt es Unterschiede, wie geclustert??) und genetischem Abstand nach der heutigen Definition (Stammbäume genetischer Abschnitte).

                    Als Molekularbiologe bin ich von der relativen Objektivität des genetischen Abstandes als Kriterium für Verwandtschaft übrigens absolut überzeugt.
                    Nur leider schießen heutige Taxonomen da etwas früh und messen den derzeit machbaren Daten m.E. einen zu hohen Wert zu.
                    2% oder 4% klingt so schön quantitativ und ist so leicht zu berechnen, da man ja nur Sequenzen aus vier verschiedenen Basen gegeneinander vergleichen muß.
                    Das klingt exakt und damit gut und richtig. Die armen Ethologen, die da nicht so einfach sagen können, das Verhalten der Art A unterscheidet sich in 2 % von dem der Art B. Könnten sies, fänden sie sicher mehr Gehör.
                    Zahlen klingen so schön seriös.
                    Aber leichte Quantifizierbarkeit ist zwar etwas, was Wissenschaftler lieben, aber auch etwas , was schon viele aufs Glatteis geführt hat.
                    Wie Wolfgang so schön sagt: Die Phylogenie eines willkürlich gegriffenen Erbgutabschnittes spiegelt nicht notwendigerwiese die Phylogenie des Gesamtorganismus wieder!
                    Sehr wahr!
                    Mt. DNA, rDNA, Gencluster, Repetitive Elemente...all das sind nur Ausschnitte der genetischen Ausstattung eines Individuums.
                    Manche dieser Elemente sind schnelleren Wandlungen unterworfen als andere, manche variieren auch unter nahe verwandten Individuen stärker als andere, manche sind lediglich auf zeitnahe Retrovirale oder Transposonprozesse im individuellen Stammbaum zurückzuführen. Manche davon ändern Verhalten. Morphologie oder sexuelle Kompatibilität erheblich, andere kaum oder gar nicht.
                    Viele dieser Parameter beginnt (!) man zu begreifen, aber soweit, daß man die derzeit klassifizierbaren genetischen Unterschiede als Hauptmaßstab für Verwandtschaft nehmen kann, sind wir m.E. nach noch nicht.
                    Oft klappts hervorragend, anhand mT DNA Stammbäume und evolutive Abstände zu bestimmen. Und oft "stimmts" auch. Aber gleiches gilt auch für andere Verwandtschaftsdefinitionen.
                    Das ist die Genetik heute nicht besser oder shclechter- manchmal eben Mittel der Wahl und manchmal nicht.
                    Gibt genetischer Abstand nach heutigen Methoden ermittelt immer einen reellen Eindruck von Verwandtschaft???
                    Wohl kaum!
                    Sollten wir aber einmal in der Lage sein, ganze Genome zur Analyse heranzuziehen und/oder sollten wir die evolutive Uhr wichtiger Schlüsselgene einmal erheblich besser verstehen, als heute, dann ist nach meinem Vertändnis die -dann neu zu definierende- genetische Distanz zweier Populationen (und bitte nicht Individuen) der Parameter, der einem objektivem Kriterium zur Abgrenzung von Taxa gegeneinander am nächsten kommt.

                    Bis dahin müssen wir bei identisch aussehenden Taxa genauer auf Metabolismus und bisher verfügbare genetische Marker schauen, bei morphologisch deutlich verschiedenen und solchen, die sich im Freiland wegen ethologischer Barrieren nicht paaren schlicht ignorieren, daß sie unbegrenzt fruchtbare Nachkommen haben könnten, bei den zeitlich isolierten Populationen und den parthenogenetischen auf die genetischen Marker gucken (und uns gegebenenenfalls wundern) und die Nachtaffen trotz eher geringer genetischer Unterschiede wegen ihrer sexuellen Inkompatibilität eben in mehrere Arten einteilen.

                    Schwarz/weiß gibts nunmal nicht, es sei denn, man bastelt sich die entsprechenden Schablonen, freut sich über deren Anwendung und stört sich nicht daran, all die Informationen der Grauzonen zu ignorieren.

                    Und nicht vergessen. "Arten" sind Menschen gemacht, nicht von der Natur

                    So, vielleicht doch etwas konfus und wie immer zu lang geworden.
                    Aber so sehe ich das

                    Gruß

                    Ingo









                    [Editiert von Ingo am 09-12-2003 um 09:44 GMT]
                    Kober? Ach der mit den Viechern!




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                    • #25
                      Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

                      Hallo Ingo,

                      stimmt schön lang aber gar nicht konfus, in vielen meine Meinung
                      Aber nicht in allem. Du schreibst:

                      " Als Molekularbiologe bin ich von der relativen Objektivität des genetischen Abstandes als Kriterium für Verwandtschaft übrigens absolut überzeugt.
                      Nur leider schießen heutige Taxonomen da etwas früh und messen den derzeit machbaren Daten m.E. einen zu hohen Wert zu.
                      2% oder 4% klingt so schön quantitativ und ist so leicht zu berechnen, da man ja nur Sequenzen aus vier verschiedenen Basen gegeneinander vergleichen muß."

                      Na ja das ist für mich schon ein kleiner Widerspruch in sich. In der Morphologie stellt sich natürlich ganz subjektiv die Frage ab wann bzw. ab welcher Schuppenzahl habe ich eine neue Art? Aber: woher wissen wir denn ab wieviel Prozent genetischer Distanz wir von unterschiedlichen Arten sprechen? Bei Singvögeln sind es 2 bei vielen anderen 4%. Kennen wir eigentlich schon die genetischen Distanzen die innerhalb von Populationen auftreten so gut als das wir pauschal sagen können: ab 4%?

                      Ich denke immernoch das man die Arbeitsmethoden kombinieren muss. Passen die dann auf unterschiedlichen Wegen erreichten Phylogenien: Wunderbar. Sonat kann die gute wissenschaftliche Diskussion einen "Mittelwert" bilden. Ich halte meist einen Hemipenis Vergleich für einen deutlicheren Hinweis als es eine schnelle Analyse, bei der auch leicht Fehler unterlaufen, sein kann. Und bei den Waranen beispielsweise konnte die Molekuargenetik dann auch "nur" zeigen was der Hemipenisvergleich schon immer gezeigt hat.

                      Meines Erachtens ist die Molekularmethode genauso subjektiv wie jede andere.
                      Zumal sehe ich teilweise bei Kollegen tatsächlich schon die m.E. negativen Folgen der Molekulargenetik: Manche Wiossenschaftler spezialisieren sich so sehr auf dieses Arbeitsgebiet, dass sie die Tiere im Freiland nicht mehr ansprechen können.

                      "Zahlen klingen so schön seriös." Und sind doch auch nur vom Menschen gemacht.......

                      "als heute, dann ist nach meinem Vertändnis die -dann neu zu definierende- genetische Distanz zweier Populationen (und bitte nicht Individuen) der Parameter, der einem objektivem Kriterium zur Abgrenzung von Taxa gegeneinander am nächsten kommt."

                      Da sehe ich zur zeit eben auch das problem. Heute werden aus Kostengründen in der Regel ja nicht die Populationen untersucht sondern immer nur Einzeltiere der Populationen mit Einzeltieren andere Populationen verglichen. Wenn man es also ganz genau nehmen würde und trotzdem nur ein Individuum pro Art untersuchen will, dann dürfte man eigentlich nur die Holotypen untersuchen.

                      Und ich mich nur wiederholen: Ein einzelbner Parameter wird meines Erachtens nie das objektive Kriterium sein, sondern nur der Vergleich der verschiedenen Parameter.

                      Was passiert denn Beispielsweise, wenn wir einmal festestellen werden, dass Tiere gleicher Population oder unterschiedlicher Populationen oder nah oder weit verwandte unterschiedlich schnell evolvieren?
                      Es spiegelt sich ja schon ja schon wieder. Singvögelö evolvieren schneller als Nichtsingvögel und schon ziehen wir unterschiedliche Grenzen, zwei und vier Prozent.
                      Wie kompliziert wird es wenn solche Grenzen aufdas Gattungsniveau runtergezogen werden müssen?

                      Philipp Wagner

                      Kommentar


                      • #26
                        Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

                        Hi Phillip,

                        ich habe nicht den Eindruck, daß wir die Sache unterschiedlich sehen.

                        Ich meine auch, daß jegliche Festsetzung von Grenzwerten für Unterschiede, die Artcharakter definieren sollen, subjektiv sind. Egal, welcher Technologie man sich bedient.

                        Und ich meine auch, daß man von einem integrativen Ansatz ausgehen sollte.

                        Nur könnte ich mir eben vorstellen, daß gerade wegen der Möglichkeit der statistischen Erfassung und Quantifizierbarkeit der genetische Abstand sich irgendwann -nicht jetzt- als eine Art -künstlich festgelegter- Goldstandard der -menschengemachten- Artdefintion durchsetzen könnte, der im Zankfall als ultima ratio herangezogen werden kann.

                        So wie es einst die Defintion der uneingeschränkten Fruchtbarkeit im Habitat war.

                        Neue Zeiten, neue Definitionen.


                        Aber wie gesagt: erst dann, wenn man genetischen Abstand besser versteht, große Datenmengen leicht verfügbar machen und statistisch auswerten kann (ein High Throughput Screener muß wohl so denken )

                        Gruß

                        Ingo
                        Kober? Ach der mit den Viechern!




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                        • #27
                          Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

                          Hallo Ingo,

                          ich sehe wir haben mit verschiedenen Worten zumindest fast das gleiche gesagt.

                          Allerdings:
                          " Nur könnte ich mir eben vorstellen, daß gerade wegen der Möglichkeit der statistischen Erfassung und Quantifizierbarkeit der genetische Abstand sich irgendwann -nicht jetzt- als eine Art -künstlich festgelegter- Goldstandard der -menschengemachten- Artdefintion durchsetzen könnte, der im Zankfall als ultima ratio herangezogen werden kann."

                          denke ich nciht das es soweit kommt. Auch die Morphologie kann man statistisch erfassen und sobals der Bomm der Molekulargenetik nachlässt und man der Fehler der Methode bewusst wird, wird es sich einpendeln.
                          Und einen "ultima ratio" in der Wissenschaft? Ich denke das wird es nicht geben. Was nicht negativ sein muss. Es sind die Diskussionen die einen anstacheln und selbst wenn der Molekularbiologe ein anderes Ergebnis hat als der der Morphologe.....glaube ich nicht das man einem den Vorzug geben kann. Bis es soweit gediegen wäre gibt es bestimmt wieder neue Methoden die dann einem Bomm unterliegen und wieder alles aufmischen was dann den Molekularbiologen lieb und teuer war.

                          Es geht vorran,

                          Philipp Wagner

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                          • #28
                            Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

                            Hi Arnd,

                            Du schreibst:
                            Hallo Wulf,

                            dann versstehe ich den Satz nicht:
                            "Bei den Amerikanern scheint zumindest nur noch die Phylogenetik eine Rolle zu spielen (wenn ich mir die Publikationen der letzten Jahre so anschaue)."
                            Meintest du denn "Genetik"? Phylogenetik kann man ja auch mit den "altmodischen" Methoden untersuchen.
                            Ich meine Phylogenetik mit DNA-Sequenzen als "Merkmale". Immer mehr Artikel erscheinen mit mtDNA Analysen, die Hinweise auf die Stammbäume geben sollen. Natürlich werden auch morphologische Merkmale diskutiert, jedoch scheinen nur die Arbeiten wirklich breite Akzeptanz zu finden, wo DNA-Analysen auftauchen...so zumindest kommt es mir vor.
                            Und wie Du anhand von Ingos Ausage ersehen kannst, lag ich mit meiner Vermutung, die Genetik sei "objektiv" nicht ganz so falsch. Wir wissen, man braucht für eine Analyse halt Merkmale, ob nun morphologische, ökologische oder genetische ist erst einmal unwichtig, aber wenn der Genetik diese gewisse "Objektivität" angelastet wird, ist es nicht wirklich verwunderlich, dass die so häufig zum Einsatz kommt.

                            So, hoffe das war jetzt wenigstens verständlich ;-)

                            Grüße,
                            Wulf

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                            • #29
                              Re: Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

                              Hallo,
                              nun, wenn auch unter die Sache noch kein alles und jeden befriedigender Schlußstrich gezogen werden kann, so scheint Ihr Euch ja halbwegs einig zu sein.
                              Wie ich schon weiter oben angemerkt habe, finde ich dieses Thema sehr interessant, obwohl ich doch nur Otto-Normal-Terrarianer bin.
                              Hat von Euch (die sich damit auskennen) denn keiner Lust dieses Fazit zusammenzufassen und auch anderen interessierten Lesern z.B. in der elaphe zur Verfügung zu stellen?

                              Viele Grüße
                              Harry Wölfel

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                              • #30
                                Re: Re: Re: Artbegriff - Sendung über Museum Alexander König

                                Hallo Harry,

                                also wenn dies auch von anderen gewünscht wird , spricht denke ich nichts dagegen in der Elaphe mal einen Artikel über Artbegriffe, Holotypen und wissenschafftliche Regeln als Zusammenfassung dieses Forums zu schreiben. Ich meinerseits würde dann aber gerne mehr daraus machen als "nur" eine Zusammenfassung dieser interessanten Diskussion.

                                Trotzdem,
                                "obwohl ich doch nur Otto-Normal-Terrarianer bin."
                                möchte ich das mal überhört haben :-)
                                Ich denke eine solche Gesellschaft braucht Terrarianer (und normal sind die bestimmt nicht :-) ) UND herpetologische Wissenschaftler (die noch viel mehr durchgeknallt sind), denn beide können und müssen voneinander lernen.
                                Obwohl dies nach meinen ersten Eindrücken der DGHT wohl leider noch ein Wunschziel meinerseits ist.

                                Philipp Wagner

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