Ankündigung

Einklappen
Keine Ankündigung bisher.

Eier und Schlüpflinge bei Testudo hermanni boettgeri

Einklappen
Dieses Thema ist geschlossen.
X
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

  • Re: Eier und Schlüpflinge bei Testudo hermanni boettgeri

    Hallo allerseits,

    ein paar Erklärungen sind offenbar doch noch erforderlich.

    Auch ich halte meine Tiere nur, weil ich ein Tierfreund bin. Ich solidarisiere mich auch mit eurer verständlichen und berechtigten Forderung, dass ein Tier nicht gestresst oder gar gequält werden darf. Dafür sind wir als Tierhalter natürlich alle verantwortlich. Selbstverständlich schadet es auch nicht, wenn wir uns öfter daran erinnern.

    Den Einwand, dass dieser bisher einzige Versuch von mir, den man auch in keiner Weise verallgemeinern darf, bedenklich war, akzeptiere ich. Er verlief aber unter Kontrolle und auch ganz anders, als ich selbst erwartete. Das Männchen fiel keineswegs brutal über das Weibchen her, um es zu vergewaltigen, wie das viele anzunehmen scheinen. Die einzelnen Balzversuche, die uns vielleicht immer etwas ruppig vorkommen, waren doch in keiner Weise häufiger oder heftiger. Es folgte aber ein tagelang dauerndes und ausgesprochen rücksichtsvolles Verhalten, das ich hier früher "Kennenlernen" nannte (Dr. Sassenburg nennt es "Abbau der Kontaktscheue" usw.), wobei die Tiere nebeneinander liegen, sich viel Zeit lassen, dahindösen und die schon beschriebenen streichelnden Bewegungen usw. ausführen. Da weder Stress noch Qual damit verbunden war, musste ich auch in keiner Weise einschreiten, es wurde auch zwischendurch gemeinsam gefressen usw. Selbstverständlich hatte dabei das Weibchen auch einen Berg von Heu und Streu zu Verfügung, um sich eventuell bei Bedarf schützend eingraben zu können. Eure Befürchtungen sind wirklich unnötig. Allerdings, wie weit man das Ergebnis jetzt wieder verallgemeinern kann, muss ich offen lassen. Es war mein erster und einziger Versuch. Beide Tiere haben ihre Jugend und ersten Lebensabschnitte irgendwo, vielleicht in weit getrennten Gebieten am Balkan, verlebt, wurden aber schon vor vielen Jahren bei uns eingebürgert (Weibchen 2700 g; Männchen 1050 g). Jüngere, schon bei uns geborene Nachzuchten könnten sich vielleicht auch schon wieder ganz anders verhalten.

    Vor allem wurden wiederholt die 14 Tage Dauer kritisiert, die ich ja nur als äußerstes Maximum verstehen wollte, weil manche Tiere möglicherweise sehr viel Zeit für den "Abbau der Kontaktscheue" brauchen. Wenn bis dahin nichts passiert, hat es wahrscheinlich auch keinen weiteren Sinn mehr. Ich kann leider nicht mehr sagen, wie viele Tage es bei meinen Tieren in diesem Versuch tatsächlich dauerte. Aber es geht wahrscheinlich meist nicht sehr schnell, man muss unbedingt mit einigen Tagen rechnen. Auch wenn man die Paarung nicht direkt beobachten kann, merkt man es ja auch am Verhalten, ob man die Tiere wieder in ihre gewohnte Umgebung zurückbringen kann.

    Man kann sich jetzt natürlich auch noch ein paar zusätzliche Gedanken darüber machen:

    Was macht uns denn so absolut sicher, dass die Paarungszeit im Frühjahr ist?

    Unwillkürlich muss ich dabei an den berühmten Professor aus der Feuerzangenbowle denken: "Und da stelle mehr uns ehmal janz dumm und da frache mehr ehmal soo:......"

    Warum wissen die Männchen nicht, dass ihre Paarungszeit im Frühjahr ist und warum müssen sie die Weibchen das ganze Jahr über anbalzen? Sollte das ein Fehlverhalten sein, das angeboren ist? Kaum denkbar! Oder kann ein solches Fehlverhalten schon allein durch die Gefangenhaltung hervorgerufen werden, in einer dann allgemein verbreiteten Form? Auch sehr unwahrscheinlich! Dann muss es also möglicherweise doch ein festvererbtes normales Instinktverhalten sein?
    Warum sagen wir dann nicht gleich: Balz und Paarung kann das ganze Jahr über sein. Der Paarungstrieb ist aber gleich nach der Winterruhe am stärksten und während der Legezeit am schwächsten.

    Schöne Grüße
    Gottfried

    Kommentar


    • Re: Re: Eier und Schlüpflinge bei Testudo hermanni boettgeri

      Hallo Gottfied,

      Warum wissen die Männchen nicht, dass ihre Paarungszeit im Frühjahr ist und warum müssen sie die Weibchen das ganze Jahr über anbalzen? Sollte das ein Fehlverhalten sein, das angeboren ist?
      Da fehlt noch was, und zwar das Mittelmeerklima. Die Klimabedingungen haben einen enormen Einfluss auf den Geschlechtshormonzyklus der Schildkröten. Das wurde vor allem von Gerald Kuchling intensiv untersucht (schau hier http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?cmd=Retrieve&db=PubMed&list_uids=6941910&dopt=Abs tract - leider gibt's meines Wissens kein zugängliches Abstract im Internet). Darauf aufbauend gab's noch eine Menge Untersuchungen, eine gute Übersicht ist nachzulesen in dem leider ziemlich teuren Buch von Kuchling: The Reproductive Biology of the Chelonia, Berlin 1998.

      Fazit dieser Untersuchungen war, dass bereits die Klimabedingungen in Wien nicht mehr ausreichen, um bei Testudo hermanni so früh wie in Südfrankreich einen Balz-auslösenden Testosteronspiegel hervor zu rufen. Also beginnen die Testudo hermanni-Männchen in Wien später im Jahr mit der Balz als "zu Hause". In Südfrankreich steigt die Temperatur im Sommer dann so an, dass die Balzaktivitäten der Griechischen Landschildkröten nachlassen oder ganz eingestellt werden, während es in Wien dann gerade richtig zur Sache geht. Deshalb empfehlen erfahrene Halter ja Frühbeete und Gewächshäuser, die uns Haltern helfen, die Klimabedingungen der Heimat der Schildkröten etwas besser nachzustellen. Ein Indiz, ob unsere Klimabedingungen gut sind, ist die Synchronisatzion der Paarungszeiten, die bei beiden Geschlechtern gleichzeitig liegen sollte - und wenn möglich auch noch so wie in der Heimat der Schildkröten.

      Du siehst, das Problem liegt gar nicht im Verhaltensbereich, und es ist auch kein angeborenes Fehlverhalten. Es liegt ganz einfach an den Hormonen und der Temperatur.

      Übrigens: Das ist nicht bei allen Schildkrötenarten genau gleich...

      Viele Grüße und viel Spass beim Lesen
      Beate
      Früher unter "Beate" hier in den Foren aktiv. Halte und züchte verschiedene Schildkröten und bin seit Gründung Mitglied der AG Schildkröten. Lieblings- Spitzname "Bücherwurm".

      Kommentar


      • Re: Eier und Schlüpflinge bei Testudo hermanni boettgeri

        Hallo Beate

        Ja, das klingt einleuchtend! So könnte es wirklich sein! Wie ist das dann aber mit dem Eierlegen, das müsste doch genau so vom Klima gesteuert werden. Warum balzen die Männchen häufig gerade dann, wenn die Weibchen Eier legen wollen? Da so etwas wirklich nicht sehr gesund sein kann, muss man manchmal eingreifen und trennen.

        Eine Balz während der Trächtigkeits- und Legezeit (normalerweise ist das Mitte April bis Anfang Juli, aber je nach Breitegrad und künstlichen Licht- und Wärmequellen kann es sicher auch eine andere Zeitperiode sein) kann vermutlich durchaus zu sehr ernsthaften Komplikationen führen (beschädigte Eier, verworfene Gelege, vielleicht auch Missbildungen bei der Nachzucht, denn die unvermeidlichen Erschütterungen der Eier sind bestimmt nicht gut, bis hin zu Verletzungen). Wenn also die hormonelle Steuerung in einer Gruppe in dieser Hinsicht nicht ganz ausreichend funktioniert und die Männchen ihr Balzen während der Legezeit nicht von selbst einstellen, kann es durchaus besser sein, sie während dieser Zeit überhaupt getrennt zu halten. Das wird ja auch häufig so gehandhabt. Letztlich müssen aber all diese Entscheidungen von Fall zu Fall getroffen werden. Überall passende Rezepte gibt es dabei so wie so keine. Es kann durchaus sein, dass sich in einer optimal zusammengestellten Gruppe im Laufe vieler Jahre auch ganz ideale Verhältnisse herausbilden, die keine weiteren Überlegungen erfordern.

        Am Rande (es gehört nicht ganz hier her) will ich nur erwähnen, wie schlagartig auch jede neue Umgebung auf die Tiere einwirken kann. Zwei zusammen von Jugend an aufgewachsene Männchen, die sich gut kennen und einander "freundschaftlich" respektieren (einer ist natürlich der Boss), legen sofort ein anderes Verhalten an den Tag, wenn sie in eine neue Umgebung kommen. Egal ob es dort Weibchen gibt oder nicht, sie brauchen nur eine Minute, um die neue Umgebung zu registrieren und sofort beginnt ein ernsthafter Kommentkampf, der bis aufs Blut gehen würde. Alle "Freundschaft" ist dabei vergessen. Also allein die neue Umgebung kann bereits für ein ganz neues Verhalten im Sozialbereich der Tiere verantwortlich sein. (Möglicherweise, da nur eine einzige Beobachtung, wieder eine unzulässige Verallgemeinerung von mir!)

        Es könnte aber vielleicht doch gut möglich sein, dass auch schon eine neue Umgebung und das zeitweise Ausschalten von unnötiger Ablenkung auf das Paarungsverhalten einen positiven Einfluss haben kann. Es steht nun einmal ziemlich unverrückbar fest, dass immer nur ein Tier gepaart werden kann. Ob in der Natur oder in der Tierhaltung, ein Männchen kann mit 4 oder 5 Weibchen gleichzeitig nichts anfangen. Es müht sich vielleicht eine ganze Weile mit einer Partnerin, ein anderes Weibchen wird dann neugierig und kommt nachschauen, was es da gibt, schon wechselt das Männchen und bis es dort ein wenig Fortschritte gemacht hat, kommt wieder das alte Weibchen oder ein ganz neues vorbei. Jedenfalls ist das für das Männchen nach meiner Meinung mit sehr viel mehr Stress verbunden als umgekehrt. Wenn all diese Versuche letztlich dann auch noch zu gar keinen echten Paarungen führen, war es für alle Beteiligte nur ganz zweckloser Stress.

        Schöne Grüße
        Gottfried

        Kommentar


        • Re: Re: Eier und Schlüpflinge bei Testudo hermanni boettgeri

          Hallo Gottfreid,

          Wie ist das dann aber mit dem Eierlegen, das müsste doch genau so vom Klima gesteuert werden.
          Es sind aber nicht genau die gleichen Klimafaktoren wie beim Männchen - leider... Ich habe das Kuchling-Buch leider nicht selber, aber ich meine mich zu entsinnen, dass bei der Steuerung des Sexualzyklus der Weibchen die Tageslänge eine größere Rolle spielt als bei den Männchen.

          Warum balzen die Männchen häufig gerade dann, wenn die Weibchen Eier legen wollen?
          In den Publikationen der Untersuchungen in den Heimatgebieten wird extra darauf hingewiesen, dass die (Balz-) Aktivität der Männchen nachlässt, wenn die Eiablagesaison beginnt. Also wäre diese Überschneidung bei uns durch nicht ganz passende Haltungsbedingungen verursacht.

          ein Männchen kann mit 4 oder 5 Weibchen gleichzeitig nichts anfangen. Es müht sich vielleicht eine ganze Weile mit einer Partnerin, ein anderes Weibchen wird dann neugierig und kommt nachschauen, was es da gibt, schon wechselt das Männchen und bis es dort ein wenig Fortschritte gemacht hat, kommt wieder das alte Weibchen oder ein ganz neues vorbei. ...
          Jetzt hast Du sehr schön das beschrieben, was Hailey & Willemsen auch in Griechenland beobachtet haben. Die Dichte der Schildkröten pro Flächeneinheit ist in vielen der untersuchten Gebiete ganz enorm hoch. Also ist es schon erklärlich, dass es dort so viele erfolglose (abgebrochene?) Kopulationsversuche gibt, bis es zu einer echten Kopulation kommt.

          Noch zwei Ergänzungen zu den Untersuchungen der beiden Autoren, die oben nicht erwähnt wurden:

          In den Gebieten mit hoher Populationsdichte weisen die meisten Weibchen (und auch schon Jungtiere) Verletzungen des Rückenpanzers auf, die dadurch entstanden sind, dass die Männchen beim Aufreiten Sand am Bauchpanzer hatten (wirkt wie Sandpapier...). Diese Verletzungen gehen oft bis in den Knochen. Nun scheint in Griechenland die Sonne stärker, so dass sich diese Wunden nicht so leicht infizieren. Bei uns hier sind Infektionen im Knochengewebe dagegen nur ganz schwer zu behandeln und oft ein Todesurteil für das Weibchen. Deshalb sollten wir das unbedingt vermeiden, auch wenn's in der Natur beobachtet wurde!

          Und: Die Autoren fanden gar nicht so selten Weibchen, die an Infektionen durch Paarungsverletzungen gestorben waren. Sie betonen, dass die Männchen mit dem Hornnagel an der Schwanzspitze gar nicht in die Kloake hinein müssen, um Verletzungen zu verursachen. Es reicht, wenn sie die Haut neben der Schwanzwurzel verletzen, so dass sich die Stelle infiziert. Diese Stellen heilen auch in Griechenland schlecht... Auch aus diesem Grund wär's mir als Schildkrötenhalterin eigentlich lieber, wenn's gleich bei den ersten Kopulationsversuchen "klappt" - und die Verletzungen durch die vielen vergeblichen Versuche bleiben aus.

          Viele Grüße
          Beate
          Früher unter "Beate" hier in den Foren aktiv. Halte und züchte verschiedene Schildkröten und bin seit Gründung Mitglied der AG Schildkröten. Lieblings- Spitzname "Bücherwurm".

          Kommentar


          • Re: Eier und Schlüpflinge bei Testudo hermanni boettgeri


            Hallo Beate,

            je mehr ich mich informiere, desto verwirrter bin ich:

            du schreibst:In den Publikationen der Untersuchungen in den Heimatgebieten wird extra darauf hingewiesen, dass die (Balz-) Aktivität der Männchen nachlässt, wenn die Eiablagesaison beginnt.

            In Gefangenschaft gibt es desöfteren auch Beobachtungen, daß die Männchen ständig paarungswütig sind.

            Ok: ein plausibler Erklärungsversuch ist unser Klima welches den Hormonhaushalt der Tiere durcheinanderbringt.

            Hier nun ein Beispiel: ein Bekannter von mir hält seit Jahren eine Gruppe Griechischer Landschildkröten. Vor 2 Jahren hatte er im Hochsommer einen Gast, weil die Besitzer im Umzugsstress waren. Es handelte sich um ein Männchen, welches im Nu die Absperrung zur Gruppe überwand (keine Sorge: meinen Anschiss für diese Unachtsamheit hat er abgekriegt). Was aber wirklich extrem war: der Kerl hat innerhalb kurzer Zeit seine Weibchen bebalzt und versucht zu besteigen. Seine Weibchen und Männchen paaren sich um diese Zeit aber nicht mehr, und er hat auch keine echte Paarung des Gastmännchens beobachtet- ok: es war ja auch nicht lange, da kam der Kerl wieder zu seinem Besitzer zurück. Da das Klima hier innerhalb einer Stadt ja nicht so unterschiedlich ist, kann ich mir auch nicht vorstellen, daß der klimagesteuerte"hormonhaushalt" solche Unterschiede bewirkt. Gut: das Tier könnte aus einem anderen Ursprungsgebiet stammen - aber solch extreme Unterschiede? Das ganze spielte sich im Sommer 2003 ab, wo auch in Deutschland eher mediteranes Klima herrschte.

            Hier mein Erklärungsversuch: könnte es nicht auch sein, daß nicht nur das Klima, sondern auch Balz und Paarung den Hormonhaushalt der Männchen und vielleicht auch Weibchen wieder in die natürliche Bahn bringen? Oder gibt es noch andere Faktoren, an die wir nicht mal denken?

            Gruß
            Sabine

            [[ggg]Editiert von sabines am 15-12-2005 um 01:40 GMT[/ggg]]

            Kommentar


            • Re: Eier und Schlüpflinge bei Testudo hermanni boettgeri

              Hallo zusammen

              Nachdem ich nun eine ganze Weile schmunzelnd mitgelesen habe, möchte ich doch ganz gerne noch einige Gedanken dazu loswerden.
              Dafür möchte ich zuerst mal Beate's letzte Aussagen aufgreifen:


              Beate Pfau schrieb:
              Es sind aber nicht genau die gleichen Klimafaktoren wie beim Männchen - leider...
              Beate Pfau schrieb:
              In den Publikationen der Untersuchungen in den Heimatgebieten wird extra darauf hingewiesen, dass die (Balz-) Aktivität der Männchen nachlässt, wenn die Eiablagesaison beginnt. Also wäre diese Überschneidung bei uns durch nicht ganz passende Haltungsbedingungen verursacht.
              Ich denke, um das alles zu verstehen, sollte man sich mal genauer mit der Physiologie der Tiere auseinander setzen. Die Reproduktionszyklen der Geschlechter verlaufen nämlich etwas konträr. Das läßt auf den ersten Blick zwar vermuten, daß das hinten und vorne nicht zusammen passt, macht aber letztendlich einen hervorragenden Sinn.

              Die Spermareifung bei den SK-Männchen beginnt, man staune, _nach_ der Paarungszeit (ab Temperaturen von 26 - 28°C, wie Editha schon schrieb) und läßt sich nach verschiedenen Untersuchungen in 5 Phasen einteilen, die ich hier nicht näher erläutern möchte. Dies zeichnet sich sogar an der jahreszeitbedingt unterschiedlichen Hodengröße der Tiere ab. Die Spermiogenese bei SK aus den gemäßigten Breitengraden (mediterraner Raum) erreicht im Spätsommer ihr Maximum und kann, je nach Verbreitungsgebiet, noch vor oder aber auch erst nach der Winterruhe beendet sein. Erst während der Phase der Spemiogenese reifen die Speramtiden zu Spermatozoa (= "fertige" Samenfäden) heran, werden im Nebenhoden gespeichert und stehen bei der folgenden Frühjahrspaarung zur Befruchtung zur Verfügung.

              Die Follikelreifung der Weibchen verläuft etwas konträr und startet erst nach der Eiablagezeit im Spätsommer oder Herbst. In Abhängigkeit von Schildkrötenart, Alter des Weibchens und Verbreitungsgebiet ist das Follikelwachstum im Spätherbst oder erst nach der Winterruhe beendet. Im Frühjahr stehen die Eier nach der Ovulation den männlichen Spermien zur Verfügung.

              Während der 2. Paarungszeit im Spätsommer stehen also weder befruchtbare Eizellen, noch genügend befruchtungsfähige Samenzellen zur Verfügung. Man kann davon ausgehen, daß die Paarungszeit im Spätsommer hauptsächlich dazu dient, die Eireifung der Weibchen anzuregen. Logisch, daß diese Paarungen nicht immer wirklich ausgeführt werden müssen, sondern schon in "angetäuschter" Form ihren Zweck erfüllen. Aus dem selben Grund würde es für die Männchen in freier Natur auch keinen Sinn machen, wenn sie nach der 1. und eigentlichen Paarungszeit im Frühjahr Paarungen ausführen würden.
              Weiters erklärt sich daraus auch, warum beide Geschlechter Spermien speichern können. Das während der spätsommerlichen Paarungszeit evtl. eingeführte Sperma dient grundsätzlich erst im folgenden Frühjahr der Befruchtung.

              Beate Pfau schrieb:
              Da fehlt noch was, und zwar das Mittelmeerklima. Die Klimabedingungen haben einen enormen Einfluss auf den Geschlechtshormonzyklus der Schildkröten.
              Das Temperatur- und Lichtmanagement ist der Dreh- und Angelpunkt bei der ganzen Sache! Zusätzlich hat Stresseinwirkung einen maßgeblichen Einfluss auf das Hormongefüge der Schildkröten.

              Die Schildkröten in menschlicher Obhut haben häufig weder _zur rechten Zeit_ ausreichende Temperaturen und Lichtverhältnisse (vor allem im Frühjahr und Herbst), noch haben sie in unseren doch oft vergleichsweise beengten Gehegen genügend Raum, um sich gegenseitig auszuweichen.
              Das Resultat: ungenügend ausgereifte Spermien, zu spät ausgereifte Follikel und völlig unnötige, planlose Paarungen die nicht oder nicht auf Anhieb "klappen" = unbefruchtete Eier oder gar keine Gelege. Zauberwort: Haltungsbedingungen.

              Quellenangabe:
              Müller, Ulrike. (1999) "Die Haltung von Schildkröten als Heimtiere unter physiologisch-biologischen Gesichtspunkten", Inaugural-Dissertation Tierärztliche Hochschule Hannover

              Gibbons, J. W., (1968), Reproductive Potential, Activity and Cycles in the Painted Turtle, Chrysemys picta. Ecology 49, 399 - 409.

              Mendonca M. T. und P. Licht, (1986), Photothermal Effects on the Testicular Cycle in the Musk Turtle, Sternotherus odoratus, Exp. Zool. 239, 117 - 130.

              Moll, E. O., (1979), Reproductive Cycles and Adaptations. in: H. Morlock und M. Harless (Hrsg.): Turtles - Perspectives and Research; Verlag Wiley, New York, Chichester, S. 305 - 331.

              Davies, P. M. C. 81981): Anatomy and Physiologie.
              in: J.E. Cooper u. O. F. Kackson (Hersg.): Diseases of the Reptilia, Vol. 1, Academic Press, London, New York, S. 9 - 73.

              Huot-Daubremont, C., S.D. Bradshaw, F.J.Bradshaw, G.Kuchling. (2003) "Variation of plasma sexsteroid concentrations in wildand captive populations of Hermann stortoise (Testudo hermanni hermanni)in Southern France, General and Comparative Endocrinology 130:299–307

              Sassenburg, Lutz. (2000) "Beiträge zu den Erkrankungen der Geschlechtsorgane von Reptilien aus klinischer Sicht". Praktischer Tierarzt 81: 2, 142–149

              und einige mehr.

              Schöne Grüße

              Eva


              [[ggg]Editiert von eva1 am 15-12-2005 um 01:45 GMT[/ggg]]

              Kommentar


              • Re: Re: Re: Eier und Schlüpflinge bei Testudo hermanni boettgeri

                Beate Pfau schrieb:
                In den Gebieten mit hoher Populationsdichte weisen die meisten Weibchen (und auch schon Jungtiere) Verletzungen des Rückenpanzers auf, die dadurch entstanden sind, dass die Männchen beim Aufreiten Sand am Bauchpanzer hatten (wirkt wie Sandpapier...). Diese Verletzungen gehen oft bis in den Knochen. Beate
                Hallo Beate

                Gibt es auch Aussagen darüber, ob dadurch die Bauchpanzer der Männchen geschädigt werden ?
                Gruß
                Didi

                Kommentar


                • Re: Re: Re: Re: Eier und Schlüpflinge bei Testudo hermanni boettgeri

                  Hallo Didi,

                  erstaunlicherweise nicht. Auch bei Griechischen Landschildkröten, die in Gehegen mit Sandboden gehalten werden und wo die Männchen sehr viele Kopulationsversuche unternehmen, sind mir keine Abschürfungen am Bauchpanzer der Männchen bekannt, während die Weibchen manchmal so böse Scheuerwunden davon tragen, dass ein Teil des (infizierten) Knochenpanzers amputiert werden muss. Vielleicht ist der Bauchpanzer der Schildkröten stabiler als der Rückenpanzer?

                  Viele Grüße
                  Beate
                  Früher unter "Beate" hier in den Foren aktiv. Halte und züchte verschiedene Schildkröten und bin seit Gründung Mitglied der AG Schildkröten. Lieblings- Spitzname "Bücherwurm".

                  Kommentar


                  • Re: Re: Eier und Schlüpflinge bei Testudo hermanni boettgeri

                    eva1 schrieb:
                    Die Schildkröten in menschlicher Obhut haben häufig weder _zur rechten Zeit_ ausreichende Temperaturen und Lichtverhältnisse noch haben sie genügend Raum, um sich gegenseitig auszuweichen.

                    Das Resultat: ungenügend ausgereifte Spermien, zu spät ausgereifte Follikel und völlig unnötige, planlose Paarungen die nicht oder nicht auf Anhieb "klappen" = unbefruchtete Eier oder gar keine Gelege.
                    Hallo Eva,
                    du hast den Nerv getroffen

                    Das sagt wirklich alles!

                    Beste Grüße
                    Callya


                    du hast

                    Kommentar


                    • Re: Re: Eier und Schlüpflinge bei Testudo hermanni boettgeri

                      eva1 schrieb:

                      Das Waschen der Eier mag vielleicht für den Züchter vorteilhaft erscheinen, für die Eier selbst bringt es jedoch wirklich nichts. In ein hart beschaltes Ei können nämlich gar keine Keime eindringen, weil die Albuminschicht, die der Eischale innen anliegt, dies verhindert. Dies beschreibt, neben einigen anderen Autoren, auch Köhler in seinem Buch sehr schön.
                      Hallo,

                      Wenn man z. B. hört, dass im Brüter gelegentlich Eier förmlich explodieren und dann einen sehr üblen Geruch verbreiten, so müssen ja irgendwie und irgendwann Fäulnisbakterien in das Ei hineingelangt sein. Im feuchtwarmen Milieu können sich in sehr kurzer Zeit sehr viele und verschiedene Keime vermehren, nicht nur Algen und Schimmelpilze. Die Eier mögen zwar grundsätzlich durch ihre feste Schale recht gut geschützt sein, doch auch in der sensiblen Phase des Schlüpfens, wenn also das Ei schon geöffnet ist, der Dotter aber noch nicht gänzlich eingezogen wurde, kann eine Infektion noch eintreten. Deshalb ist es ganz bestimmt nicht verfehlt, bei der Inkubation so reinlich wie nur immer möglich zu arbeiten.

                      Beste Grüße
                      Gottfried

                      Kommentar


                      • Re: Re: Re: Eier und Schlüpflinge bei Testudo hermanni boettgeri

                        GottfriedU schrieb:
                        Wenn man z. B. hört, dass im Brüter gelegentlich Eier förmlich explodieren und dann einen sehr üblen Geruch verbreiten, so müssen ja irgendwie und irgendwann Fäulnisbakterien in das Ei hineingelangt sein.
                        Hallo Gottfried

                        So genau kann ich Dir das jetzt nicht sagen, aber ich vermute, daß auch das Innere eines Eies nicht völlig steril ist. Wenn ein Fötus abstirbt, dann beginnt er sich zu zersetzen. Das ergibt im Laufe der Zeit wunderschöne Faulgase...

                        Die Eier mögen zwar grundsätzlich durch ihre feste Schale recht gut geschützt sein, doch auch in der sensiblen Phase des Schlüpfens, wenn also das Ei schon geöffnet ist, der Dotter aber noch nicht gänzlich eingezogen wurde, kann eine Infektion noch eintreten. Deshalb ist es ganz bestimmt nicht verfehlt, bei der Inkubation so reinlich wie nur immer möglich zu arbeiten.
                        Hmmmm.... Meine Erfahrung ist die, daß oft eine zu reinliche Handhabung schädlicher sein kann, als eine weniger reinliche.
                        Wie ein Hühnerei auch, hat auch das Schildkrötenei eine äußere, unsichtbare Hülle. Sie nennt sich Cuticula.
                        Die Cuticula sollte laut Meinung verschiedener Mediziner und Züchter zumindest in den ersten Wochen der Inkubation ansatzweise drauf bleiben, weil sie mikrobizide Substanzen enthalten soll (ist beim Hühnerei sogar erwiesen) und somit einer Verpilzung etc. mit vorbeugen hilft. Es reicht ja auch, wenn man die Eier kurz vor dem Schlupf mechanisch reinigt, also mit einem Küchenschwämmchen oder so. Infektionen durch die Eiwand halte ich nicht für wahrscheinlich.

                        Schöne Grüße

                        Eva

                        Kommentar


                        • Re: Eier und Schlüpflinge bei Testudo hermanni boettgeri

                          Hallo

                          Leider weiss ich nicht mehr wo, aber vor längerer Zeit habe ich einmal gelesen, dass die Eier nicht zu sauber (steril ?) sein sollen.
                          Bakterien würden die Eischale poröser oder brüchiger machen, um den kleinen Schildkröten das Schlüpfen zu erleichtern.
                          Vielleicht weiss jemand von Euch, wo etwas ähnliches geschrieben steht ? Wenn ich es finde, werde ich mich wieder melden.
                          Gruß
                          Didi

                          Kommentar


                          • Re: Re: Eier und Schlüpflinge bei Testudo hermanni boettgeri

                            Hallo Didi,

                            Bakterien würden die Eischale poröser oder brüchiger machen, um den kleinen Schildkröten das Schlüpfen zu erleichtern.
                            Ich kenne so eine Diskussion nur über Eier von Schildkröten, die in Gebieten mit sehr saurem Boden leben - und da wird angenommen, dass die Huminsäuren des Bodens die Eischalen brüchiger machen. Zum Nachlesen: z.B. hier: Lehmann, H. ( 1987 ) : Hypothetische Überlegungen zur Schlupfproblematik von künstlich inkubierten Gelegen südamerikanischer Schildkrötenarten der Familie Chelidae.- Salamandra, 23 ( 2/3 ) : 73-75

                            Das ist bei den Landschildkröten des Mittelmeerraums aber unwahrscheinlich, denn die Erde dort ist nicht so sauer wie die Blatthumusschicht im südamerikanischen Regenwald.

                            Viele Grüße
                            Beate
                            Früher unter "Beate" hier in den Foren aktiv. Halte und züchte verschiedene Schildkröten und bin seit Gründung Mitglied der AG Schildkröten. Lieblings- Spitzname "Bücherwurm".

                            Kommentar


                            • Hallo

                              In dem neuen Buch von Manfred Rogner "Griechische Landschildkröten" (2005) wird auf Seite 66 eine histologische Untersuchung von Zwart et al. (1998) zitiert, wonach Bakterien durch die Poren der Eischale eindringen können und dann den Embryo schädigen. Diese Poren müssen natürlich für den Gasaustausch im Ei möglichst frei bleiben und dürfen nicht durch irgenwelche (vermeintlich bakterizide) Überzüge auch noch verstopft werden. Die geringe Schleimschicht, die anfangs am Ei haftet, wird im Erdreich vermutlich schon beim ersten Regen aufgelöst.

                              Ich bleibe deshalb weiterhin bei meiner Meinung, dass durch Säuberung der Eier vor der Inkubation eine bakterielle Sepsis bei den Embryonen weitgehend vermindert werden kann.

                              Viele Grüße
                              Gottfried

                              Kommentar


                              • Zitat von GottfriedU
                                Diese Poren müssen natürlich für den Gasaustausch im Ei möglichst frei bleiben und dürfen nicht durch irgenwelche (vermeintlich bakterizide) Überzüge auch noch verstopft werden.
                                Hallo Gottfried

                                Seit wann verstopfen irgendwelche natürlichen Überzüge, die vom Tier selbst stammen, irgendwelche Poren?
                                Das wäre ja gerade so, als ob in der Kloake auch kein Sauerstoffaustausch mehr möglich wäre, nur weil sich an den Kloakenwänden ein leichter Überzug befindet.

                                So dämlich ist die Natur ganz bestimmt nicht, daß sie sich durch selbst proudzierte Schleimstoffe auch noch selbst schaden würde. Demzufolge müssten ja alle Hühnereier superschnell verderblich sein, nur weil an ihnen eine Cuticula haftet, die angeblich die Poren verstopft. Im Gegenteil: es ist nachgewiesen, daß diese Cuticula das Ei vor dem Eindringen von Keimen schützt.

                                Rogner hat im Übrigen nichts dazu geschrieben, wie diese eine von Zwart beschriebene Infektion dieses Embryos zustande kam, also auch nicht, daß sie durch verstopfte Poren entstand. Vielleicht ist ja die Infektion gerade durch das Abwaschen der Eier erst möglich gewesen

                                Schöne Grüße

                                Eva
                                Zuletzt geändert von eva1; 09.06.2006, 20:09.

                                Kommentar

                                Lädt...
                                X